Kirche und Schule 
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gelischen Kirchen sind meistens schlichter als die katholischen aus¬ 
gestattet und entbehren im Innern fast jedes Bilderschmuckes, aus¬ 
genommen am Altar. 
Die Kirchenzucht hat in der evangelischen Kirche nicht die 
straffen Formen wie in der katholischen. Es ist sogar festzustellen, 
daß alle Zuchtmaßnahmen gegen die Laien immer mehr außer An¬ 
wendung kommen. Das hat seinen Grund in der persönlichen Stel¬ 
lung der Laien zur Kirche. Verhältnismäßig häufig noch verweigert 
die Kirche Bräuten, an deren sittlichem Lebenswandel sie Anstoß 
nimmt, den Myrtenkranz bei der Trauung. Selten verweigert sie 
heute ein christliches Begräbnis oder gar das Abendmahl. Gegen 
die Geistlichen steht den Kirchenbehörden eine Disziplinar¬ 
gewalt zu, die bis zur Amtsentsetzung reicht. Die Kirche sichert 
sich auch einen Einfluß auf die Lehre der Geistlichen. So kennt 
Preußen beispielsweise ein „Spruchkollegium", das sich aus Geist¬ 
lichen und Laien zusammensetzt. Die kirchlichen Behörden verlangen 
Rechtgläubigkeit der Geistlichen, d. h. Übereinstimmung mit 
den Dogmen der Kirche. In diesem Verlangen stoßen sie nicht 
nur auf entschiedenen Widerspruch vieler Geistlicher, sondern auch 
weiter Laienkreise, die sich kirchlich-liberal nennen. Die Unzu¬ 
friedenheit mit der von den kirchlichen Behörden geforderten starren 
Rechtgläubigkeit (Orthodoxie), die nach der Meinung der kirchlich 
Liberalen dem protestantischen Prinzip zuwiderläuft, hat zu vielen 
Austritten aus der Landeskirche geführt. Es ist das eine ähn¬ 
liche Erscheinung wie die „Los von Rom-Bewegung" in der 
katholischen Kirche. 
Eine viel erörterte und umstrittene Frage ist das Verhältnis 
zwischen Staat und Kirche. Nicht nur der Kirche ablehnend oder 
doch gleichgültig gegenüberstehende Kreise, sondern auch hochkirch¬ 
liche Männer fordern die völlige Trennung von Staat und 
Kirche, wie sie beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika 
besteht. In diesem Falle würden Kirchen und Religionsgesellschaf¬ 
ten nur noch als Privatvereine gelten, die ihre Angelegenheiten frei 
ordnen und verwalten können, soweit nicht das Reichsvereinsgesetz oder 
andere Gesetze ihnen Grenzen ziehen. Unter diesem Zustande würde
	        
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