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Ferdinand FreiLigralh,
geb.' den 17. Juni 1810 zu Detmold, wurde für den KausmannSstand be¬
stimmt, gab 1839 die Laufbahn auf. erhielt 1812 ein Jahrgehalt vom König
von Preußen, und wohnte nun zu St. Goar, verzichtete 1*45 hierauf, be¬
theiligte sich bei den politischen Vorgängen 1848, und mußte nach London
flüchten, kehrte 1868 nach Deutschland zurück. — Poetische Erzählungen
(Aus dem schlesischen Gebirge IV. 55.), Lieder (O lieb', so lang' du lieben
kannst. VI.), Naturschilderungen (Löwenritt. V. 9. Die Steppe. V. 36.
Die Tanne. VI.).
134. Die Tanne.
1.
1. Auf des Berges höchster Spitze
Steht die Tanne, schlank und grün;
Durch der Felswand tiefste Ritze
Läßt sie ihre Wurzeln ziehn;
2. Nach den höchsten Wolkenbällen
Läßt sie ihre Wipfel schweifen,
Als ob sie die vogelschnellen
Mit den Armen wollte greifen.
3. Ja, der Wolken vielgestalt'ge
Streifen, flatternd und zerrissen,
Sind der Edeltann' gewalt'ge,
Regenschwang're Nadelkissen.
4. Tief in ihren Wurzelknollen,
In den faserigen, braunen,
Winzig klein, und reich an tollen
Launen, wohnen die Alraunen,
5. Die des Berges Grund befahren
Ohne Eimer, ohne Leitern,
Und in seinen wunderbaren
Schachten die Metalle läutern.
6. Wirr läßt sie hinunterhangen
Ihre Wurzeln in's Gewölbe!
Diamanten sieht sie prangen
Und des Goldes Gluth, die gelbe.
7. Aber oben mit den dunkeln
Aesten steht sie schön'res Leben;
Sieht durch Laub die Sonne funkeln,
Und belauscht des Geistes Weben,