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Christian Graf zu Stolücrg (1748—1821.)
Christian Graf zn Stolberg.
(1748—1821.)
Geb. ani 15. Ortober 1748 zu Hamburg, ftubirte in Göttingen die Rechte, gehörte zum Hainbünde, wurde 1777
Amtmann zu Tremsbüttel, 1800 dänischer Kammerherr, und starb am 18. Januar 1821. — Er schrieb einiges
Lyrische, Schauspiele mit Chören und Uebersetzungen aus dem Griechischen.
An meinen Kruder. Zum Geburtstage 7. Itavcmbcr (1778).
Auf! mit des Adlers Schwingen fleuch ! Lodert in der Jünglinge Brust,
Hin zu ihm, mein Gesang, und mit dir
Mein frohlockender Morgengruß!
Hin zu ihm, der mir ist,
Was kein Sterblicher je Sterblichen war!
Röthliche Schimmer erwachen schon;
Sie verkündigen den Tag,
Ach, den entzückenden,
Der dich, Lieber, ins Leben rief!
Seht, wie er pranget im herbstlichen Schmuck!
Feiernd naht er und stolz, umtanzt
Von der Stunden Reigen, und begrüßt
Von der Sonne, dem Mond und dein weilenden
Eile, der du mir schwebst
Auf der lechzenden Lippe,
Bruderkuß!
Schnell gleit' auf dem ersten Strahl,
Feuervoll und erquickend, wie er,
Hin zn ihm, der mir ist,
Was kein Sterblicher je Sterblichen war!
Lagre behend auf seine Lippe dich,
Scheuche nicht den Morgentraum,
Der mit duftenden Kränzen,
Der mit windenden Epheuranken
Fesselt den Schlummernden!
Träufle deinen Honig, und laß das Bild
Ach, mein Bild!
Vor seiner ahnenden
Seele schweben, und mit ihm
Schmachtende Sehnsucht, ach, nach mir!
Dann erweck' ihn ungestüm, mit dem Fit-
Der Lieb', und ruf' es laut stichschlag
Mit Flaminenwort ihm zu:
Daß er mir sei,
Was kein Sterblicher je Sterblichen war!
Mein Bruder! Siehe, wie sie bebt
Der Freude Zähre,
Daß du's bist, und daß du
Mehr denn Bruder und Freund,
Daß du bist
Meines Herzens Vertrautester!
Sage, keimte dir je,
Sproßte mir je ein Gedank',
Dessen Hülle nicht du
Hobest, nicht ich?
Wie, durch der heil'gen Natur
Tief verborgne Wunderkraft,
Der unberührten Leier Saite bebt,
Wenn des Sängers Stimme den Ton
Der bebenden hallt:
O, so stimmte Mutter Natur
Unsrer Zwillingsseelen
Immer tönende Harmonie!
Tönend, wenn das Feuerblut
Tönend, wenn der Rührung Zähre sanft
Ueber die blässere Wange rinnt.
Bruder! uns ist gefallen das Loos
Lieblich, unser Erb' ist schön!
Ach, aber warum traust
In des Jubels Becher die Thräne?
Ach, warum sind ivir getrennt?
Heute getrennt?
Wie nach dem Thau das Sommergefild,
Wie die Sonne lechtzt nach des MeeresSchooß',
Wie der Weinstock nach der beschattenden
Ulme strebet:
(Stern! O, so streb' ich, so lechz' ich nach dir,
Der du mir bist,
Was kein Sterblicher je Sterblichen war!
Kehre wieder, du der Freude Tag,
Segenschwanger und triefend
Deine Tritte von Milch,
Von Honig
Und von der Nebe Blut!
Immer komm, die Schläfe bekränzt,
Mit herbstlichem Schmuck!
j Ach, bald nahet auch uns
Unser Herbst!
Auch er komme, die Schläfe bekränzt,
Mit unvergänglichem Schmuck;
Und mit Früchten, o! mit Früchten,
Mit unvergänglichen,
Reich beschwert!
Nimmer sind' uns dann, schöner Tag,
Wie heute getrennt!
O, Erfüllung, Erfüllung,
Des sehnlichsten Wunsches Erfüllung!
Hell blickt mein Aug'
In der Zukunft Fern', es späht
Goldne Tag' am Ende der Bahn!
Endlich koinnit der Winter einher,
Ein sanfter freundlicher Greis,
Beut uns beiden die Hand, und führt,
O der Wonn'! uns ungetrennt
Dorthin, wo unter Lebensbäumen,
Wo, in Lauben der Himmlischen,
Ach, unter eurem fruchtbelasteten,
Ruhe gewährenden
Feigenbäume,
Dorthin, ach! wo unter eurem
Freud' und Schatten
Bietenden Weinstock,
Bester Vater! und du,
Die mich gebar, beste Mutter!
Wechsellos blühet
Ewiger Lenz.