69. Die Raupen. Von Christoph von Schmid.
Gesammelte Schriften. XVI. Bdch. 2. Auflage. Augsburg 1861. S. 36.
1. Eine fleißige Hausfrau baute in ihrem Garten Gemüse aller
Art. Eines Tages sagte sie zu ihrer kleinen Tochter: „Lieschen, siehst
du hier an der untern Seite dieses Kohlblattes die kleinen, gelben
Körnchen? Das sind Schmetterlingseier; daraus kommen die schönen,
aber schädlichen Raupen, die sich später in weiße Schmetterlinge ver¬
wandeln. Suche heute nachmittag alle Blätter ab und zerdrücke diese
gelben Eierchen, dann wird unser Kohl immer schön grün und unversehrt
bleiben."
2. Lieschen dachte, diese Arbeit hätte keine so große Eile. Sie
spielte am Nachmittage mit den andern Kindern fröhlich herum, und am
nächsten Tage hatte sie ihren Auftrag überhaupt vergessen. Die Mutter
war mehrere Wochen krank und kam nicht in den Garten. Als sie aber
wieder gesund war, nahm sie ihr Töchterchen bei der Hand und führte
es zu den Kohlbeeten. Da erschrak die Kleine; denn der Kohl war von
den Raupen abgefressen, so daß nur noch die Strünke und die Gerippe
der Blätter zu sehen waren. Das Mädchen schämte sich seiner Nach¬
lässigkeit und weinte; die Mutter aber sprach zu ihm: „Verschiebe nie die
Arbeit eines Tages auf den folgenden, so wirst du dir manchen Schaden
und Ärger ersparen!"
¿0. Sonntag. Von Rudolf Löwenstein.
Kindergarten. 4. Aufl. Berlin 1886. S. 36.
1. Es tönet über das weife Feld
ein liebliches Frühgeläufe. —
Wie iss so ruhig heuf die Welf,
so sonnig und wonnig heufe!
2. Die Hirsen neben der Herde ruhn,
die Herden ruhn auf der Weide;
die Bauern ziehn zur Kirche nun
im sfafflichen Sonntagskleide.
3. Es Schimmers der Tau im grünen Plan
wie Perlen auf schimmernder Seide,
als hasse die Flur auch angetan
sonntägliches Fesfgeschmeide.