Full text: [Teil 2 = 4. u. 5. Schulj] (Teil 2 = 4. u. 5. Schulj)

252 
3. „Unter den Linden." 
Vor uns lag jetzt die Straße „Unter den Linden", die schönste 
Berlins. In einer Breite von 50 in dehnt sie sich 1 km lang aus 
bis zum Tiergarten hin. Wir gedachten jenes Frühlingstages im 
Jahre 1871, als durch diese Straße, begrüßt von dem Jubel vieler 
Tausende, die siegreichen Truppen unter Führung Kaiser Wilhelms I. 
ihren Einzug hielten. Wir dachten aber auch an die düstre Pracht, 
die diese Straße angelegt hatte, als man am bitterkalten 16. März 
des Jahres 1888 die entseelte Hülle des greisen Heldenkaisers durch 
sie zu Grabe führte. 
Dort, wo die Doppelallee von Linden beginnt, die der Straße 
ihren Namen gibt, erhebt sich das herrliche Denkmal Friedrichs 
des Großen, ein Meisterwerk Rauchs. Es steht inmitten der Straße, 
gerade vor dem Palais Wilhelms 1. Wir standen lange vor dem 
einfachen Heim des großen Herrschers. In unsrer Erinnerung 
tauchten jene Tage auf, wo mittags beim Aufziehen der Wache 
Tausende hier zusammenströmten, um den Kaiser, der dann stets 
am Fenster stand, mit brausenden Hochrufen zu begrüßen. Auch 
jener Nacht erinnerten wir uns, als wieder eine dichtgedrängte 
Menge das Palais umgab, diesmal aber stumm, die bangen Blicke 
nach den matterhellten Fenstern gerichtet, hinter denen der kaiser¬ 
liche Greis mit dem Tode rang. 
4. Die Friedrichstraße. 
Die Straße „Unter den Linden" wird etwa in ihrer Mitte von 
der genau von Norden nach Süden führenden Friedrichstraße 
durchschnitten. Sie ist eine der längsten Straßen Berlins. Ein 
mäßiger Fußgänger würde, um sie ganz zu durchwandern, gegen 
drei Viertelstunden brauchen. Ein außerordentlich reges Leben 
herrscht hier zu jeder Tageszeit. Auf den Granitsteigen, die sich an 
den Häusern hinziehen, drängen sich die Fußgänger. Auf der Asphalt¬ 
bahn, die den Fahrweg bildet, rollen Fuhrwerke aller Art dahin, 
darunter im Norden und Süden die mit Menschen dicht besetzten 
Wagen der Straßenbahn. Oft ertönt die Warnungsglocke, säumige 
Fußgänger, die den Fahrweg überschreiten, zur Eile mahneud. Die 
Straße hinauf und hinunter jagen prächtige Kutschwagen, schnelle 
Autos und einfache Droschken, von denen Berlin gegen 8000 besitzt. 
Hier und dort bewegt sich ein schwerfälliger Omnibus, von dessen 
Verdeck die Fahrgäste auf das Gewirr zu ihren Füßen behaglich 
niederschauen. Wo Hauptstraßen sich kreuzen, hält auf stattlichem 
Roß ein Schutzmann und sorgt dafür, daß in dem Verkehre keine 
Störung eintritt. Plötzlich ertönt ein schrilles Läuten in der Ferne;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.