V. Aus Dichtung und Sage. 
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Handschlag. Als Hagen das sieht, bindet er seinen Helm fester und begegnet der 
Königin mit Trotz Sie fragt, ob er ihr den Nibelungenhort mitgebracht habe. 
Hagen erwidert, er habe an Schild und Panzer, an Helm und Schwert genug zu 
tragen gehabt. 
Im innern Hofe der Burg fand danach Hagen Volker, und im Bewußtsein, 
daß es jetzt zum schlimmen Ende gehe, schlossen sich die beiden kühnsten Helden 
des Burgundenheeres eng aneinander zum Todesbunde. Sie zwei allein gingen 
über den Hos und setzten sich Kriemhilds Saal gegenüber auf eine Bank. Tie 
Königin, durchs Fenster blickend, weinte und flehte Etzels Mannen um Rache an 
Hagen. Vierhundert wappneten sich; die Krone auf dem Haupte, kam sie mit 
dieser Schar die Stiege herab. Der übermütige Hagen legte über seine Beine 
ein lichtes Schwert, aus dessen Knopf ein Jaspis schien, grüner denn Gras; wohl 
erkannte Kriemhild, daß es Siegfrieds Schwert war. Auch Volker zog seinen 
Fiedelbogen an sich, so nannte er sein langes, und starkes Schwert. Furchtlos 
saßen sie da, und keiner stand auf, als die Königin ihnen vor die Füße trat. 
Sie warf Hagen vor, daß er ihren Mann erschlagen; da sprach Hagen laut aus, 
daß er es getan: räch' es, wer da wolle! Die Hunnen sahen einander an und 
zogen ab, den Tod fürchtend. 
König Etzel, von all dem nichts wissend, empfing und bewirtete die Helden 
aufs beste. Zur Nachtruhe wurden sie in einen andern Saal geführt, wo kostbare 
Betten bereitet waren. Hagen und Volker hielten vor dem Hause Schildwacht. 
Volker lehnte den Schild von der Hand und nahm die Fiedel. Seine Sauen 
erklingen in die Nacht hinaus, daß das ganze Haus ertost; dann läßt er sie süßer 
und süßer ertönen, bis alle die sorgenvollen Männer entschlummert sind. 
2. 
Mitten in der Nacht glänzten Helme aus der Finsternis; es waren Ge- 
waffnete, von Kriemhild geschickt; doch als sie die Tür so wohl behütet sahen, 
kehrten sie wieder um. Am nächsten Vormittag, eh' sie zu Tische saßen, suchte 
Kriemhild Dietrichs Hilfe; doch er verwies ihr den Verrat an ihren Blutsfreunden. 
Williger fand sie Blödel, Etzels Bruder. Der zog mit tausend Gewappneten 
zur Herberge, wo Dankwart, Hägens Bruder, der Marschall, mit den Knechten 
speiste. Nach kurzem Wortwechsel sprang Dankwart vom Tische und traf Blödel 
mit dem Schwerte, daß ihm das Haupt vor den Füßen lag. Ein grimmiger 
Kamps erhob sich. Die Hälfte der Hunnen wurde erschlagen; aber andere zwei¬ 
tausend kamen und ließen nicht ab vom Streite, bis alle die Knechte tot lagen. 
Dankwart allein hieb sich zum Saale durch, wo die Herren speisten. 
Eben wurde Ortlieb, Etzels junges Söhnchen, gebracht und seinen Oheimen 
am Tische vorgestellt. Da trat Dankwart in die Tür, mit bloßem Schwerte, all 
sein Gewand mit Hunnenblut beronnen. Laut rufend verkündete er den Mord in 
der Herberge. Hagen hieß ihn die Tür hüten, daß kein Hunne herauskomme. 
Dann schlug er das Kind Ortlieb, daß sein Haupt in der Königin Schoß sprang. 
Furchtbarer Kamps entbrannte nun. Kriemhild ries Dietrichs Hilfe an; dieser 
verlangte, daß man ihn und die Seinigen mit Frieden aus dem Hause lasse. 
Günther gewährte es. Da nahm der Berner die Königin unter dem Arm, an 
der andern Seite führte er Etzeln, mit ihm gingen sechshundert Recken. Auch
	        
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