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Kreuzerstück dazu. Nur seid stille zur Sache und geht zu meinem Nachbar,
dem Bärenwirt, und macht es ihm ebenso." Das sagte er, weil er mit
seinem Nachbar, dem Bäreuwirt, ans Brotneid in Unfrieden lebte und
einer dem andern jeglichen Tort und Schimpf gern anthat und erwiderte.
Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem ange¬
botenen Geld, mit der andern vorsichtig nach der Thüre, wünschte dem
Wirt einen guten Abend und sagte: „Bei Eurem Nachbar, dem Herrn
Bärenwirt, bin ich schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt
und kein anderer."
So waren im Grunde beide hintergangen, und der dritte hatte den
Nutzen davon. Aber der listige Kunde hätte sich noch obendrein einen
schönen Dank von beiden verdient, wenn sie eine gute Lehre daraus gezogen
und sich mit einander ausgesöhnt hätten. Denn Frieden ernährt, aber
Unfrieden verzehrt.
62. Sprichworts-Erklärungen.
lJohann Peter Hebel.)
1. Gin Narr fragt viet, worauf kein Weiser antwortet.
„Ein Narr fragt viel, worauf kein Weiser antwortet." Das muß
zweimal wahr sein. Fürs erste kann gar wohl der einfältigste Mensch eine
Frage thun, worauf auch der Weifeste keinen Bescheid zu geben weiß.
Denn Fragen ist leichter als Antworten, wie Fordern oft leichter ist als
Geben, Rufen leichter als Kommen. Fürs andere könnte manchmal der
Weise wohl eine Antwort geben, aber er will nicht, weil die Frage ein¬
fältig ist oder wortwitzig, oder weil sie zur Unzeit kommt. Gar oft erkennt
man ohne Mühe den einfältigen Menschen am Fragen und den verständigen
am Schweigen. „Keine Antwort ist auch eine Antwort." Bon dem Doktor
Luther verlangte einst jemand zu wissen, was wohl Gott vor Erschaffung,
der Welt die lange, lange Ewigkeit hindurch gethan habe. Dem erwiderte
der fromme und witzige Mann: In einem Birkenwald sei der liebe Gott
gesessen und habe zur Bestrafung für solche Leute, die unnütze Fragen thun,
Ruten geschnitten.
2. Wenn man den Teufet an die Wand matt, so kommt er.
Ein Sprichwort heißt: „Wenn man den Teufel an die Wand malt,
so kommt er." Das sagt mancher und versteht^ nicht. Den bösen Geist
kann man eigentlich nicht an die Wand malen, sonst wäre es kein Geist.
Auch kann er nicht kommen; denn er ist mit Ketten der Finsternis in die
Hölle gebunden. Was will denn das Sprichwort sagen? Wenn man viel