Full text: Haus und Welt (Bd. 3)

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Legen wir eine neugekaufte Taschenuhr, die ringsum scharf 
schliefst, in einen gut verwahrten Kasten und lassen sie mehrere 
Jahre lang liegen, ehe wir sie benutzen — es wird doch Staub 
in ihr Inneres gezogen sein, und wir werden denselben wenig¬ 
stens mit Hilfe des Vergrößerungsglases bemerken, wenn wir 
sie öffnen. Die Luft strömt durch Spalten, die unser Auge kaum 
bemerkt, und reifst bei dieser Gelegenheit feine Staubteilchen 
mit sich fort. Wer hätte nicht die Stäubchen im Sonnenstrahl 
tanzen sehen? Und dies sind immer noch welche von der grösse¬ 
ren Sorte. 
Im Wohnzimmer brauchen wir aber gar nicht erst auf An¬ 
kunft des Staubes von draussen zu warten, es wird in der Stube 
selbst genug erzeugt. Die Dielen des Fussbodens treten sich 
ab, in alten Zimmern erscheinen sie ausgelaufen und uneben; die 
Decken und Teppiche werden abgenutzt, nach einigen Jahren 
zerschlitzen sie und müssen ersetzt werden. Hast du dir wohl 
einmal ausgerechnet, wieviel in deinem Hause jährlich Stiefel- 
und Schuhsohlen abgelaufen, wieviel Kleidungsstücke abgetragen 
werden? Ein Teil davon nutzt sich im Zimmer ab und nicht 
gerade der kleinste. Untersuchen wir mit Hilfe des Mikroskops 
ein Häufchen Staub, so treffen wir die Spuren der verschieden¬ 
sten Gegenstände beisammen: hier ein schwarzes Wollenfäserchen, 
daneben ein Flöckchen weifser Baumwolle, dann ein wenig Seide. 
Nicht wenige Staubteile sind Kuss, der entweder aus der Lampe 
oder aus dem Ofen stammt. Es folgt dann ein winziges End¬ 
chen einer Feder, dann ein Haar vom Pelz, ein Holzsplitterchen, 
ein Sandkörnchen, ein Eisenkrümelchen, ein Mehlstäubchen, viel¬ 
leicht auch eine zierliche Flügelschuppe von einer Motte oder 
ein Endchen von einem Fliegenbein. Soviel Gegenstände im 
Zimmer und aussen herum in der Nähe sind, von ebenso vielen 
könnten wir auch Spuren im Staube antreffen; Hautschuppen von 
unserm eignen Körper werden selten dazwischen fehlen. Alle 
Metalle werden dabei mit vertreten sein, kostbares Gold und 
Silber vom Geschmeide, das sich abnutzt, und harter Stahl vom 
Messer, dessen Klinge von Jahr zu Jahr kleiner wird. Man 
trifft Stäubchen aus allen Teilen der Erde stammend, vielleicht 
auf dem Goldschnitt eines Buches an, das längere Zeit unbenutzt 
dastand. Hier ruht neben dem Endchen einer Eiderdaune, die 
an den eisigen Küsten Grönlands und Islands gesammelt ward,
	        
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