Full text: Lesebuch für Fortbildungsschulen auf dem Lande und in kleineren Städten

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damit diese nicht beschmutzt würden. Sodann fuhren wir in einen 
leinenen Grubenkittel, dessen Armel vorn zugeknöpft wurden wie bei 
einem Männerhemd. Wir schnallten einen Gürtel um das bauschige 
Ding. Weiter hing uns der Steiger einen Lederriemen um den Hals, 
der das Grubenlicht (die Blende) tragen mußte. Dann probierte er 
unter den dahängenden dicken Filzhüten (Kappen) so lange, bis uns 
einer leidlich paßte. Zuguterletzt band uns der Steiger noch ein Leder, 
eine Art Schurzfell, hinten querüber. „Es ist bloß für den Fall, daß 
wir eine Rutschpartie machen müssen,“ meinte er lachend. „Also los 
denn in Gottes Namen!“ 
Wir schritten über den Hof dem Schachte zu, der sich wie eine 
große, schwarze Esse hinabsenkte. Darüber stand eine mächtige Dampf—- 
maschine, welche die Lasten heraufhebt und hinabläßt. Der Schacht 
war durch eine Scheidewand in zwei Fächer geteilt; in dem einen 
schwebte am Drahtseil ein großer Kasten, in welchen wir mit unserm 
Führer und noch einem andern Steiger einstiegen. Wir hielten uns 
an dem Rande an. „Nun Achtung!“ rief der Führer, „in zwei und 
einer halben Minute sind wir 700 Meter unter der Erde.“ Da tönte 
die Glocke an der Maschine „bim — bim — bim,“ und im Augen— 
blicke sauste der Kasten in die Tiefe. 
Wir waren augenblicklich im Finstern. Nur unsere Grubenlichter 
warfen einen Schimmer an die Mauern des Schachtes. Dieses Ge— 
flimmer tat meinen Augen weh, ich mußte sie schließen. Plötzlich 
war mir's gerade so, als ob ich nicht schwer genug wäre, um nach 
unten zu kommen. Ich meinte, wir flögen aufwärts, und ich machte 
mich so schwer, als ich nur konnte. Da hielt das Fahrzeug; der 
eine Steiger verließ uns und wanderte in einem der dunkeln Gänge 
(einer Strecke) nach der Seite hin. Wir aber setzten die Reise nach 
unten fort, und ohne aufzustauchen, waren wir am Boden, 700 Meter 
unter dem Tageslichte. 
„Glück auf!“ rief es von mehreren Seiten. „Glück auf!“ ant— 
worteten wir freudig. Wir waren auf einem kleinen, freien Platze. 
Nach links und rechts gingen Seitengänge ab. Aus allen drang das 
Geräusch der Arbeit, und Grubenlichter bewegten sich her und hin. 
Aber unheimlich war der Blick in diese schwarzen Schlünde. Es 
waren die Höhlungen, aus denen man die Kohlenadern oder Flöze 
herausgehauen hatte. Damit die Decke nicht zusammenbrach, hatte 
man sie mit Querbalken gestützt, manchmal auch mit Eisen. Doch 
viele dieser Holzbalken waren gebrochen und zersplittert; so preßte 
von oben die Last. Jetzt sah ich erst ein, wozu die dicke Kappe gut 
war, die ich aufhatte. Ich stieß in der Dunkelheit gar manchmal 
an und würde ohne den Filzschutz wohl manche Beule bekommen 
haben. 
Wir gingen in einer Strecke, die leidlich breit war, hin. Auf 
dem Boden lagen Eisenbahnschienen. Und plötzlich kam uns ein 
Pferd entgegen im raschen Schritt, das acht bis neun Hunte auf den
	        
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