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Schienen zog. Der Fuhrmann wollte natürlich nach der Stelle, wo
wir ausgestiegen waren. VNach ein paar Schritten trafen wir den
Pferdestall, der in die Bergwand hineingehauen war. Dort stand
ein zweites Rößlein, das uns recht neugierig und treuherzig anguckte.
Ich gab ihm ein Stückchen Zucker, das ich zufällig in der Tasche
fand. Das arme Tierchen wird wohl das Sonnenlicht nicht wiedersehen.
Jetzt führte unser Gang tiefer hinab. Die Hitze war kaum zu
ertragen, und dazu die doppelten Kleider! Der schwarze Staub flog
nur so umher; ich zog ihn durch die Nase ein und spürte ihn auf
der Zunge. Die Bergleute, die hier unten arbeiten, ließen das Licht
der Blende auf die schwarzen, glänzenden Wände fallen und hieben
mit der schweren Spitzhacke die Stücke Steinkohle los. Sie trugen
nur die Leinenhose, sonst waren sie ganz nackt. Sie trieften von
Schweiß, und schwarzer Staub klebte am Körper. Mancher fuhr
sich mit dem Arme übers Auge. Diese schwarzen Gesichter, diese
glänzenden Augen, diese Gestalten, auf welche die Blende ihre Strahlen
warf: sie machten einen tiefen Eindruck auf mich. O, es ist eine
schwere Sache, da unter der Erde acht Stunden hart zu arbeiten,
wenn die Lungen kaum atmen können und die Balken der Decke
knirschen, als ob die Decke einstürzen wollte! Da unten lernt man
einsehen, daß die Leute sich sehnen nach dem goldigen Sonnenlichte
und es mit „Glück auf!“ begrüßen. Sie umgibt der Tod auf Schritt
und Tritt. Wohl sorgen die Behörden dafür, daß die Decken nicht
einstürzen; doch keine Balken, auch keine Eisenträger können es zu—
weilen verhindern. Die einbrechende Wand begräbt manchen Braven.
Voch schlimmer ist aber ein andrer Feind, den man das schlagende
Wetter nennt. Es ist dies eine Luftart, die wie Gas brennt, sobald
ein Funke hineinfällt. Fast jedes Jahr werden Bergleute durch sie
getötet, und unser Führer erzählte uns, daß er am 1. Dezember 1879
das Unglück mit erlebt habe, bei welchem neunzig Mann durch solche
böse Wetter ihr Leben einbüßten. Ganz verbrannt und verkohlt zog
man die Armsten heraus. Es soll schrecklich anzusehen gewesen sein,
wie da die Witwen und Waisen an der Reihe schwarzer Särge hin—
gingen, um den Vater zu suchen, der kaum wiederzuerkennen war.
Da wollte kein Trostwort helfen, auch der schöne Totengesang nicht,
den man dem Bergmann am Grabe singt:
Leb' wohl, leb' wohl, du Bergmannskind!
Du hast vollbracht den Lauf.
Treu warest du und brav gesinnt,
drum rufen wir: Glück auf!
Zum letzten Male fährst du an
und fährst nicht mehr herauf.
Drum grüßt dich auf der dunkeln Bahn
ein inniges: Glück auf!
Doch schloß sich auch dein Auge hier,
dort tut sich's wieder auf.
Wir alle, alle folgen dir
und arüßen dich: Glück auf!
Ganz schwarz von Kohlenstaub und triefend von Schweiß langten
wir im Huthause glücklich wieder an, fuhren aus den Überkleidern
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