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Aus der offenen Domtür tönt Orgelgebraus,
Ein Palmenwald grüßt in den Winter hinaus.
Alles grün, alles Frühling, wo sonst weißer Kalk,
30 Lorbeer umlaubt den Katafalk.
Selbst Gärten, die einst unser Sturmschritt geknickt,
Heut haben sie Rosen und Kränze geschickt.
„Laßt mich durch, die Gasse mir aufgetan,
Laßt mich durch, laßt mich durch, sonst brech’ ich mir Bahn!
Noch einmal auf Knien vor ihm will ich liegen,
Meine Stirn an die purpurne Ruhstatt biegen.
Bei Gravelotte, spät war die Stunde,
Der König! rief es in weiter Runde,
Und jauchzend hemmten wir seinen Zügel,
40 Bedeckten mit Küssen Hand und Bügel,
Die Sonne in sinkender Abendflut
Umrahmt seinen Helm in Gloriaglut,
Sein Auge tropft, seine Lippe bebt,
Mit ihm, mit ihm hab' ich’s durchgelebt."
Detlev von Liliencron.
193. Kaiser Friedrichs letzte Fahrt.
„Ich sähe wohl gern (er sprach es stumm)
Noch einmal die Plätze hier herum,
Am liebsten auf Alt-Geltow zu, —
Und ihr kommt mit, die Kinder und du."
Das Dorf, es lag im Sonnenschein,
In die stille Kirche tritt er ein,
Die Wände weiß, die Fenster blank,
Zu beiden Seiten nur Bank an Bank;
Und auf der letzten — er blickt empor
io Auf Orgel und auf Orgelchor
Und wendet sich und spricht: „Wie gern
Vernähm' ich noch einmal: ,Lobe den Herrn';
Den Lehrer im Feld, ich mag ihn nicht stören,
Vicky, laß du das Lied mich hören!"
Und durch die Kirche, klein und kahl,
Als sprächen die Himmel, erbraust der Choral;
Und wie die Töne sein Herz bewegen,
Eine Lichtgestalt tritt ihm entgegen,