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A. Erzählende Prosa. II. Geschichtliche Darstellungen.
Lied eines gefeierten Sängers, welches den Zng begleitete oder beim Mahle
gesungen wurde.
Das war den Griechen Olympia. Darum saßen sie hier in heiterer Fest¬
stimmung, während Leonidas den Opfertod starb; denn sie fühlten beim Anblicke
ihrer olympischen Sieger die fteudigste Siegeshosfnung; von Olympia zogen sie
nach Salamis und Platää.
7. In den Straßen des alten Noms.
H. W. Stoll, Bilder aus dem altrömischen Leben.
Bon alters her waren in Rom die Straßen eng, krumm und winkelig,
und auch nach dem Wiederaufbau der Stadt durch Nero, der die Straßen
regelmäßiger und breiter herstellte, ist dieser Mißstand noch vielfach vorhanden;
dem war wegen der Unebenheit des zöodens an vielen Stellen nicht
abzuhelfen gewesen. Zudem waren zahlreiche Läden und Buden, Werkstätten
und Schenken in die Straßen hinein vorgeschoben und hemmten dadurch den
freien Verkehr, ein Übel, das erst durch Domitian beseitigt wurde. Da war
denn für die große Menge von Menschen, die sich immer auf den Straßen be¬
wegte, nur wenig Raum. Eine Menschenwoge drängt die andere, es ist kein
Gehen, es ist ein Geschobenwerden. Laufen muß man, wenn man von dem
Hintermann keine Püffe bekommen will, muß selbst mit dem Ellenbogen um sich
stoßen, um vorwärts zu kommen, und vor Zank und Streit ist man nicht sicher.
„Was soll's, Unsinniger", ruft einer, „was hast du denn? Du knuffst wohl,
was dir im Wege ist, wenn du zu deinem Herrn läufst?" Da tritt mir ein
Soldat mit seinen gewaltigen Nägeln in den Schuhen auf den Fuß und läßt
mir einen Nagel in der Zehe hängen. Gar manchem wird in dem Gewühl
der Rock zerrissen, manchen beraubt die Diebeshand. Siehe, da reißt einer an
meiner Seite einer Frau das Kleid von den Schultern und macht sich davon.
Es war ein ganz feingekleideter Herr mit parfümierten Locken und mit vielen
Ringen an den Fingern; ich glaubte, es wäre der galante Begleiter und
Schützer der Dame. Er ist fort. Vergebens ruft das Weib: „Greift den
Dieb!" Vergebens wiederholt das die Menge.
Da wird's uns heiß in dem dichten Gedränge, daß der Schweiß uns über
die Wangen trieft; die Sonne brennt uns aus den unbedeckten Scheitel —
denn in der Stadt nicht, nur auf Reisen trägt man einen Hut — und ihr
Licht, das von den weißen Wänden der Häuser zurückprallt, fällt uns lästig in
die Augen. Kein Wunder, wenn man in Rom so viele Triefäugige sieht.
Welch unangenehme Küchendämpfe in der ohnedies so ungesunden Luft, welche
Staubwolken, und wie schlecht ist an dieser Stelle das Pflaster! Hätten wir
nasse Witterung, man könnte keinen trockenen Fußtritt tun und watete im Kote.
Dem Ädil, der mit seinen Unterbeamten die Straßenpolizei zu handhaben hat,
der darauf zu sehen hat, daß die Straßen rein sind, daß jeder Hauseigentümer
bei seinem Hause das Pflaster wohl unterhält, wollen wir übrigens doch nicht
wünschen, was dem Ädil Vespasian, dem nachmaligen Kaiser, geschah. Der