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die, der Muschel als Schatz anvertraut, in ihrem Schoße zu Perlen werden.
In Wirklichkeit sind sie das Geschenk eines Wassertieres, und zwar eines
sonst wenig von den Menschen beachteten Tieres, einer trägen Muschel.
Die Hauptlieferantin ist die echte Seeperlmuschel (Avicula meleagrina),
deren Schalen von blättrigem Bau bald dick, bald dünner sind und immer
einen schönen Perlmutterglanz haben. Die Länge der Schalen ist ver¬
schieden, sie schwankt zwischen fünf und zehn Zentimeter.
Die wichtige Muschel ist über einen großen Teil unserer Weltmeere
verbreitet; sie kommt sowohl im Meerbusen von Panama und Mexiko und
an der kalifornischen Küste als auch im Großen Ozean, im Roten Meer,
im Persischen Golf wie an den Küsten der Insel Ceylon vor. Sie lebt
meist in einer Tiefe von 5 bis 20 Meter in größerer Anzahl vereinigt, auf
Bänken steinigen oder korallenen Grundes mit ihren festen Byssusfäden
angeheftet. Bei ihrem großen Verbreitungsgebiete ist es selbstverständlich,
daß sie nicht überall gleich, sondern je nach der Beschaffenheit des Wohn¬
gebietes Verschiedenheiten in Farbe, Größe und Dicke ihrer Schalen zeigt.
Allüberall aber wird den Muscheln eifrig nachgestellt, um ihren kostbaren
Inhalt zu gewinnen. Die Perlen sitzen in den Tieren nahe der inneren
Fläche der Schalen oder im Mantel der Muschel selbst, und zwar sollen
in den Muskelteilen des Mantels die besten Perlen sich befinden.
Die Perlen entstehen dadurch, daß kleine Körnchen, Sand, Steinchen
oder in sehr vielen Fällen kleine Stückchen der Schalen in das Innere der
Muschel selbst geraten oder innere Schmarotzer, Milben und Algen, von
dem Tiere mit einer allmählich immer stärkeren Schicht der Perlmutter-
substanz, die auch das Innere der Schalen bekleidet, umgeben werden. Je
älter die Muscheln, desto großer und wertvoller daher die Perlen, voraus¬
gesetzt, daß Farbe und Glanz gut und rein sind. Die Anzahl der Perlen
in einer Muschel schwankt sehr bedeutend, von einer bis über hundert
Stück; gute, große Perlen finden sich aber nur sehr selten, und oft werden
Hunderte von Muscheln geöffnet, ohne daß selbst eine kleine Perle gefunden
wird. Die Perlenfischer haben also durchaus keinen regelmäßigen Lohn zu
erwarten, bald ernten sie wenig oder gar nichts, bald sehr viel.
Die Hauptfischereien liegen im Persischen Golf, bei Ceylon und an
andern Stellen der Küste Indiens. Von Mai bis September, der besten
Fangzeit, sind Tausende von Booten im Golf von Persien mit dieser
interessanten Fischerei beschäftigt. Jeden Morgen laufen die Boote, die
je nach der Große eine Besatzung von 8 bis 40 Mann haben, nach den
Muschelbänken aus. Dort angekommen, wird die Tauchermannschaft in
zwei Abteilungen geteilt, in eine, welche taucht und in die andere, welche
die Taucher an Stricken heraufzieht. Die Taucher sind bis auf ein Lenden¬
tuch ganz nackt; sie nehmen einen kleinen Korb an den Arm, klemmen sich
ein Stück elastischen Horns auf die Nase, damit sie besser die Luft an¬
halten können, und springen ins Wasser. Von Bord des Schiffes hängen