Full text: Deutscher Kinderfreund

Aus bent Leben der 
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aber andere Gedaitken. Als ihm nämlich die liebe Sonne zum ersten 
Btal warm auf den Rücken schien, entschloß er sich zu einer häuslichen 
Niederlassung uitd nahm daher, ohne mn Erlaubnis zu fragen, ganz 
eigenmächtig Besitz von dem leer stehenden Starhäuschen. Die neue 
Wohnung schien ihm zu gefallen, und er fing schon an, seiner Ehehälfte 
das Nest darin zurecht zu inachen; aber es sollte ihm schlecht bekommen. 
Ehe sich Freund Spatz vessen versah, saß der von seiner Winterreise 
heimkommende rechtmäßige Hausbesitzer oben auf seinem Dach. Der 
Star schien die Sache zuerst ganz ruhig zu nehmen, besah sich die 
alte, bekannte Gegend, und der Sperling schlüpfte tingehindert, wenn 
atich etwas schneller als gewöhnlich, in die Hütte hinein. Als der 
Star endlich Anstalt machte, seine alte Wohnung zu betreten, kaut er 
schön an. Er wurde mit Schreien, Flügel- und Schnabelhieben von 
dem erbosten Eindringling empfangeit und schien endlich nach wieder¬ 
holten vergeblichen Versuchen auf den Besitz seiner gemütlichen Woh¬ 
nung verzichten ztt müssen. Nachdenklich und dem Anschein nach sehr trau¬ 
rig setzte er sich auf das Dach seines Häusleins und guckte mit beiden 
Augen über die Schnabelspitze hinab auf die Schwelle des ihm so 
schinählich entrissenen Eigentums, während der Spitzbube von Sper¬ 
ling mit halboffenem Schnabel drinnen vorm Fluchloch sich breit machte 
und das Weitere erwartete. — Als sich draußen lange Zeit nichts regte, 
hielt der Sperling die Gegend für sicher und steckte vorsichtig deit Kopf 
heraus, erhielt aber sofort von dem spitzen Schnabel des Stars einen 
solchen Denkzettel auf den Schädel, daß er sich eiligst zurückzog und 
lange unsichtbar blieb. Der Star saß ruhig mit seinem nachdenklichen 
Gesicht auf seinem Posten, war aber sehr aufmerksam und stets zunt 
Eiirhauen bereit, so oft der Sperling, den endlich der Hunger zu quälen 
schien. Versuche machte, heranszuschlüpfen. Leider wurde es dunkel, ehe 
der Kampf zu Ende war, und die eigentliche Entscheidung habe ich 
nicht mit ansehen können. Als ich am nächsten Morgen mit dem 
frühesten ans Fenster trat, schlüpfte der Star geschäftig ein und aus 
und hatte viel zu thun, um die von dem Spatz zusammengetragenen 
Siebensachen aus der glücklich wieder eroberten Wohnung herauszu¬ 
schaffen. Unten am Baume aber lag der Sperling tot.
	        
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