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verheerte und mit Blut düngte. Als nämlich in Paris die jako-
binische Partei die Oberhand bekam und das Ansehen und Leben
des Kõnigs selbst bedroht schien, da beschlossen der König Friedrich
Wilhelim II. und Kaiser Leopold, dem Könige von Frankreich nötigen-
falls dureh Waffengewalt seine FPreiheit wieder zu verschaffen. Die
Deutschen ahnten nicht, welche schwere Aufgabe sie sich gestellt
hatten; sie kannten nicht die Macht der revolutionären Leiden-
schaften, welche sich jetzt mit ganzer Gewalt gegen den äulsseren
Feind kehrten. Zwar rückten die Verbündeten anfangs siegreich
vor, bald aber mussten sie, und zwar zum Teil infolge ihrer Un-
einigkeit, dem heftigen Anprall der Franzosen weichen und schliess-
lich die Niederlande nebst sämtlichen deutschen Ländern auf der
linken Seite des Rheins an Prankreich abtreten.
Die republikanischen Einrichtungen wurden in diesen Ländern
sogleich mĩt Bereitwilligkeit auffenommen, und anfangs sah alles
sehr glänzend aus; bald aber änderte sich das Aussehen. Auf
Befehl des Konvents in Paris wurden sämtfliche eroberten Länder
als französische Provinzen eingerichtet und auch die französische
Sprache eingeführt. Man plünderte ungescheut die öffentlichen
Kassen und schuf neue Abgaben, ohne die alten aufzuheben; auch
erhob man ungeheure Kriegssteuern, während der ausgehungerte
Soldat auf Kosten der Einwohner lebte. Die herrschaftlichen Be-
sitzungen, wie die der geistlichen und weltlichen Körperschaften,
der Schulen und Universitäten wurden für Nationalgüter erklärt,
um sie samtlich zum Besten des öffentlichen Schatzes zu verkaufen.
Es mulsten Lebensmittel und sonstige Bedũrfnisse aller Art ohne
eine Vergũtung geliefert werden; was aber durchaus bezahlt werden
mulste, das bestritt man durch Assignaten, ein Papiergeld, welches
sehr bald seinen Wert gänzlich verlor. Die eroberten Länder wurden
mit Millionen solcher Assignaten überschwemmt, und viele wohl-
habende Familien dadurech zu Grunde gerichtet.
Uberall herrschte ein sehr trauriger Zustand. Handel und
Gewerbe stockten ganz, und wie konnte es auch anders sein, da
die eigentliche Pulsader alles Verkehrs, der Rhein, des Reiches
Grenze bildete, und französische Zollaufseher überall sfrenge Wache
übten. Durch die Friedensschlüsse von Basel 1795, Campo Formio
1797 und Lüneville 1801, endlich dureh den die Schmach besiegeln-
den Reichsdeputations-Hauptschluss 1803, infolge dessen die meisten
geistlichen Gebiete und freien Städte von der Karte Deufschlands
verschwanden, war die morsche Vorm des alten deutschen Reiches
völlig zerbrochen. Grössere Schande, grösseres Unglück hatte selbst
der westfalische Friede einst nicht gebracht. RKeine deutsche NMacht,
von der grössten bis zur kleinsten, war ohne Schuld geblieben.
Alle hatten nach denselben Grundsätzen, wie sie die französische
Revolution gelehrt, nach Raub und Gewaltthat ihre Hände aus-
gestreckt. Und das deufsche Volk? Es sah in stumpfer Teil-
nahmlosigkeit das deutsche Reich gestürzt, das Vaterland zerstũckt,
die Grenzen geschmälert. Das Unglück, seit Jahrhunderten kein
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