Full text: Mittelstufe, Oberabteilung, (3. Klasse der Berliner Gemeindeschule) (Teil 3, [Schülerband])

145 
Auch die Wiesen bringen viel ein; das Spreewaldheu geht sogar 
bis Berlin. Im Winter stehen alle Wiesen voll grosser Heu— 
haufen. Wenn das REis trägt, kommen die Händler zu Schlitten 
und kaufen die Vorräte auf. 
Wir gleiten unter uralten, hohen Baumen dahin; mũchtige 
Pschen und Buchen, Erlen und Eichen schlingen ihre grünen 
Zweige zum kühlen, luftigen Dache ineinander und spiegeln sich 
fief unten im dunkeln, feuchten Blau wieder. Schlanke Weiden 
neigen sich über das Ufer und spielen mit ihren Zweigen in 
der FPlut. Die Waldeinsawkeit hallt wieder von dem Jubel 
der Vögel. Am Wasserrande sitzt ein wendisches Mädchen in 
gauberer Volkstracht. Sie spielt mit Blumen im Schosse und 
plätschert sorglos mit den braunen Füssen im Wasser. Langsam 
zingt sie eine sehwermütige, eintönige Weise; es ist ein wen— 
disches Volkslied, wie sie es an den Winterabenden von den 
Prauen und Mädchen in der Spinnstube singen hörte. 
Helles Jubeln und kindliches Lachen tönt uns entgegen; 
eine Flotte von flachen Kähnen, breit und viereckig wie Fähren, 
schwimmt lustig auf uns zu. Wendenkinder sind die FVahrleute, 
Wendenkinder die Passagiere. Die Knaben sind auf das schmuck- 
loseste bekleidet; ein leinenes Höschen, vielfach geflickt und doch 
zerrissen, ein gerade nicht sehr sauberes Hemd — weiter nichts. 
Die Mädehen nehmen sieh schon sehmucker aus; die weissen 
Hemdärmel stehen hübsch zu dem roten Kopftuche und dem 
bunten Röckchen. Einige tragen sogar ein weisses Häubchen 
mit Schleifen oben auf dem Kopfe. Die Schule ist aus; die 
Kinder gehen nicht, sie schwimmen nach Hause; aber der Jubel 
ist derselbe wie bei unseren Kindern, wenn endlich die drei 
langen, heissen Sommerstunden glücklich vorüber sind. 
Weiter gleitet unser Kahn. Wir sind in dem grössten wen- 
dischen Rirchdorfe, Burg. Ein wunderliches Dorf! Fast jede 
einzelne Hütte steht auf einem besonderen Inselchen, von herr- 
lichen Bäumen überschattet. Sind diese Inselehen nur durch 
schmale Gräben voneinander getrennt, so ist zwischen ihnen 
eine Verbindung durch hohe, einfache Brücken bewirkt. An 
jedem Ufer ist nämlich ein hoher Baumstamm in die Erde ge- 
trieben, auf beiden ruht ein Brett, und zwei schräg daran gelegte 
Stämme, mit Leisten benagelt, führen als DTreppe hinauf. Die 
Brũcken sind so hoch, dawit auch ein mit Heu beladener Kahn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.