Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

99 
Du dummer, grober, plumper Wicht! 
Mocht'st du den leckern Braten nicht, 
So wohl genährt, so rund und fett, 
Den mancher Junker gerne hätt', 
Und der dir selbst lief in die Hand? 
Doch ließ er (denk' ich) dir ein Pfand." 
Dies sagt' er, als er sah, wie schwach 
Und blutig Braun am Ufer lag. 
Das freute den Berräther sehr. 
„Ohm Braun (rief er), wo kommt ihr 
her? 
Habt ihr beim Wirth auch was vergessen? 
Gern lauf' ich hin und lass' ihn wissen, 
Wo ihr jetzt seid, wenn's euch gefällt. 
Habt ihr ihn um den Schmaus geprellt 
Und mit der Haut dafür bezahlt? 
Wer euch den Bart so roth gemalt, 
Der hat euch häßlich überkleckt. 
Hat euch der Honig gut geschmeckt? 
Ich weiß für solchen Preis noch mehr. 
Sagt mir doch, lieber Ohm und Herr, 
Wo habt ihr eu'r Gelübd' gethan, 
Daß ihr so wie ein Ordensmann 
Ein roth Barett tragt? Seid ihr Abt? 
Hat man euch nach dem Ohr geschnappt, 
Wie man die Platte euch geschoren? 
Es scheint, ihr habt den Schopf ver¬ 
loren 
Und etwas Fell von euren Wangen, 
Habt auch die Handschuh lassen hangen." 
Wie Braun in seiner großen Noth 
Noch hören mußte solchen Spott, 
Und wußt' kein Mittel, sich zu rächen, 
Konnt' er vor lauter Gram nicht sprechen. 
Um nur des Spötters los zu sein, 
Kroch er ins Wasser wieder hinein, 
Trieb mit dem Strom noch weiter nieder 
Und schwamm ans andre Ufer wieder. 
Dort lag er krank und sehr unfroh 
Und dachte bei sich selbst also: 
„Ich kann vor Wund' und Brest (Ge¬ 
brechen) nicht gehn, 
Und muß die Reise doch bestehn, 
Zum Könige nach Hofe hin, 
So arg ich auch geschändet bin 
Durch Reiuekeu, den tück'schen Dieb. 
Dem Erzschclni wär's gewiß recht lieb, 
Nach dem Verrath, den er getrieben, 
Wenn ich wär' auf dem Platz geblieben." 
Drauf hinkt' er fort mit Müh' und 
Plage 
Und kam gen Hof am vierten Tage. 
Da Nobel sah, wie wund und lahm 
Braun wieder von der Reise kam, 
Rief er: „Ist das nicht Braun, der 
Bär! 
Hilf Gott, wie elend kommt er her!" 
„Ach Herr! davon ist viel zu sagen 
(Sprach Braun); laßt euch das Un¬ 
glück klagen, 
Worein durch tückischen Verrath 
Mich Reineke gestürzet hat." 
„Das räch' ich ohne Gnad' an ihm 
(Rief König Nobel voll von Grimm). 
Darf Reinhard einen solchen Herrn 
Wie Braun verletzen? Das sei fern! 
Ich schwör' es euch bei meiner Krone, 
Daß ich die Frevelthat ihm lohne, 
Wie Braun es selbst zu Recht begehrt. 
Ich will nicht führen Scepter und 
Schwert, 
Wo ich ihm das nicht werde halten." 
Soltau. 
76. Häslein. 
Unterm Tannenbaum im Gras 
Gravitätisch sitzt der Has', 
Wichst den Bart und spitzt das Ohr, 
Duckt sich nieder, guckt hervor, 
Zupft 
Und leckt sich, 
Rupft 
Und reckt sich. 
Endlich macht er einen Sprung: 
„Hei, was bin ich für ein Jung'! 
Schneller noch als Hirsch und Reh 
Spring' ich auf und ab die Höh';
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.