Prosa-⸗Schriftsteller — l Philosophen: Immanuel Kant. 435
17. Oskar v. Redwitz.
6. 144. Lehrb. 8. 1029)
Der Thautropfen.
Du Tropfen Thau seh ich dich an, Du kehrst am Abend stets zurück!
Kommt mir die Thräne süß und still, So muß wohl treue Liebe sein.
il n en eit pi 3 Und stirbt dein Lieb vom Sonnenbrand
Wie ich wohl einmal lieben will. De e e ne e
Und trennt dich auch an jedem Tag Ich seh' dich an, und sinne still,
Von deinem Lieb der Sonnenschein, Wie solch ein Tod beglücken muß.
II. Prosa⸗-Schriftsteller.
L. Ahilosophen.
1. Immanuel Kant.
(6. 86. f. 148. 154. Lehrb. 8. 860.)
Vom Gebrauch der Vernunft.
Geschluß der Kritik der praktischen Vernunft.)
Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender
Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken
damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz
in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt oder im Ueben
schwänglichen außer meinem Gesichtskreise suchen und bloß vermuthen; ich sehe
sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner Exi⸗
stenz. Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußeren Sinnen—
welt einnehme, und erweitert die Verknüpfung darin, ich sehe ins unabsehlich
Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch
in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fort
dauer. Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst meinen Persönlich⸗
keit an und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber
nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich
mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich, nicht wie dort in bloß zufälliger,
sondern allgemeiner und nothwendiger Verknüpfung erkenne. Der erstere An⸗
blick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit als
eines thierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem
Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem
es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen.
Der zweite erhebt dagegen meinen Werth als einer Intelligenz unendlich
durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der
Thierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart,
wenigstens so viel sich aus der zweckmäßigen Bestümmung meines Daseins
durch dieses Gesetz, velhe nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens
eingeschränkt ist, sondern ins unendliche geht, abnehmen läßt. Alein Bewun⸗
derung und Achtung können zwar zur Nachforschung reizen, aber den Mangel
derselben nicht erseßen. Was ist nun zu thun, um diese auf nutzbare und
der Erhabenheit des Gegenstandes angemessene Art anzustellen ? Beispiele mögen
hiebei zur Warnung, aber auch zur Nachahmung dienen. Die Weltbetrachtung
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