Full text: [Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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heiße ich einen Hunger! Wenn das den Tag so fortgeht, so kann er was 
zusammenbringen. 
2. Dort sitzt ein anderer auf dem Pfahle am Wege und verdaut 
wahrscheinlich seine genossene Mahlzeit. Er ist sehr vorsichtig und läßt 
nieinand nahe kommen; denn die Raben sind für ihr Leben gar sehr 
besorgt. Ei, was für eine Stimme der hat! Schön ist sie nicht, das 
könnte ich nicht sagen, aber laut ist sie, daß einem die Ohren gellen. 
3. Nun, was ist das für ein Geschrei mit einem Male, und wo ist 
die Menge der Raben so plötzlich hergekommen? Ist ein Streit aus— 
gebrochen? Die Burschen sind ja toll und wütend und fliegen wie besessen 
umher! Ein Raubvogel verursacht den Lürm. Ein Glück für ihn, daß 
er so hoch fliegen kann, und daß seine Feinde ihm nicht so hoch nach— 
folgen können. Hui, wie sie grimmig auf ihn losschießen und ihm eins 
zu versetzen suchen! Er weicht aber geschickt aus. Jetzt ist der Zorn 
abgekühlt, und sie zerstreuen sich nach und nach. 
4 In die Gipfel hoher Bäume bauen die Raben das Nest aus 
Reisern, Baumwurzeln, Dornzweigen und füttern es mit Moos, Federn 
und Haaren aus. Da hinein legen sie drei, vier, fünf grünliche, braun— 
gefleckte Eier. Kommt der Winter, so machen sie Besuche in Dörfern und 
Städten, nicht aber, um sich nach dem Befinden der Einwohner zu 
erkundigen, sondern um etwas für ihren Magen zu holen. Schlachtet 
ein Bauer, so zeigen die Raben eine große Teilnahme an diesem Greignisse. 
Können sie keinen Bissen erwischen, so ergötzen sie sich wenigstens am 
Geruch; denn riechen können sie, obgleich ihre Nasenlöcher mit Borsten 
verdeckt sind. Mit dem Frühjahr ziehen sie wieder ab, ohne Abschied zu nehmen. 
232. Der Wettlauf zwischen Hasen und Igel. 
Ludwig Bechstein. 
1. Diese Geschichte ist ganz lügenhaft zu erzählen, Jungen, aber wahr 
ist sie doch; denn mein Großvater, von dem ich sie habe, pflegte immer, 
wenn er sie erzählte, dabei zu sagen: „Wahr muß es doch sein, meine 
Söhne, denn sonst könnte man sie nicht erzählen.“ Die Geschichte aber 
hat sich so zugetragen. 
Es war einmal an einem Sonntagmorgen in der Herbstzeit, just als 
der Buchweizen blühte. Die Sonne war goldig am Himmel aufgegangen, 
der Morgenwind ging frisch über die Stoppeln, die Lerchen sangen in der 
Luft, die Bienen summten in dem Buchweizen, und die Leute gingen in 
ihren Sonntagskleidern nach der Kirche, kurz, alle Kreatur war vergnügt, 
und der Swinegel auch. 
Der Swinegel aber stand vor seiner Tür, hatte die Arme überein— 
ander geschlagen, guckte dabei in den Morgenwind hinaus, trällerte ein 
Liedchen vor sich hin, so gut und so schlecht, als es nun eben am lieben 
Sonntagmorgen ein Swinegel zu singen vermag. Indem er nun noch so 
halbleise vor sich hin sang, fiel ihm auf einmal ein, er könne wohl,
	        
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