202
Halse, und er blieb tot auf dem Platze. Der Swinegel aber nahm sein
gewonnenes Goldstück und die Flasche Branntwein, rief seine Frau aus
der Furche ab, und beide gingen vergnügt nach Hause, und wenn sie icht
gestorben sind, leben sie noch. —
3. So begab es sich, daß auf der Buxtehuder Heide der Swinegel
den Hasen zu Tode gelaufen hat, und seit jener Zeit hat es sich kein
Hase wieder einfallen lassen, mit dem Buxtehuder Swinegel um die Wette
zu laufen.
Die Lehre aber aus dieser Geschichte ist erstens, daß keiner, und wenn
er sich auch noch so vornehm dünkt, sich soll beikommen lassen, über den
geringen Mann sich lustig zu machen, und wäre es auch nur ein Swin—
egel. Und zweitens, daß es geraten ist, wenn einer freiet, daß er sich
eine Frau aus seinem Stande nimmt, die just so aussieht wie er selbst.
Wer also ein Swinegel ist, der muß darauf sehen, daß seine Frau auch
ein Swinegel sei.
233. Sommerfäden.
Hermann Wagner.
1. Die kleinen Spinnen haben den ganzen Sommer hindurch auf
der Wiese gewohnt. Sie haben viele pon den schlimmen Mücken gefangen,
die Gesicht und Hände der Kinder zerstachen. Im Winter wird die Wiese
vom Flusse überschwemmt, und was von kleinem Getier nicht im Wasser
zu leben vermag, muß ertrinken.
Der kleinen Spinne ergeht's am Ende des Sommers gerade wie den
Zugvögeln; die Reiselust überkommt sie. Zu Fuß würde sie aber nimmer
weit kommen; schon am nächsten Wassergraben müßte sie Halt machen.
Die kleine Spinne weiß sich aber trefflich zu helfen. Sie achtet auf
Wetter und Wind wie ein erfahrener Schiffsführer. — „Heute ist schöner
Sonnenschein,“ meint sie, „heute ist günstiger Wind, nicht zu-schwach und
nicht zu stark, jetzt kann die Reise angehen.“
2Sie klettert flink hinauf auf den Erlenbusch und steigt bis um
äußersten Ende eines Zweiges. Dort stellt sie sich auf den Kopf und
streckt den Leib mit den Spinnwarzen in die Höhe. Sie spinnt einen
langen Faden, läßt ihn im Winde dahintreiben, lang und immer länger.
Der Wind trägt den Faden und zieht gewaltig dran. Jetzt kann ihn die
Spinne nicht mehr halten; sie läßt mit den Füßen den Zweig los und
segelt mit dem Faden davon wie ein Luftschiffer in seinem Ballon. Auf
dem fliegenden Faden in der Luft spaziert sie hin und her nach Belieben;
— er ist ihr Schiffchen. Der Faden steigt höher und fliegt weiter über
die Wassergräben der Wiesen und über den Fluß, über die Büsche und
Bäume, über die Häuser der Stadt, ja selbst über den Kirchturm. Die
Kinder sehen das Luftschiffchen der Spinne ziehen und rufen: „Sieh, sieh,
welch langer Sommerfaden!“
3. Endlich ist es der Spinne weit genug. Sie will Halt machen.