Full text: Angewandte Geschichte

Staatsformen und Staatsverfassungen. 253 
Montesquieu forderte die Dreiteilung der Gewalten, d. h. die Trennung 
der Staatsgewalt in die gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt 
Rousseau stellte das Volk als die Quelle der öffentlichen Gewalt hin; 
es ist souverän. Der Gesamtwille des Volkes könne niemals irren. Er forderte 
eine rein demokratische Regierung. 
Die finanzielle Bedrängnis des Staates führte zur Berufung der 
Generalstände, die seit 1614 nicht mehr getagt hatten. Diese General- 
stände sollten sich nicht wesentlich von den Versammlungen unterscheiden, 
die vom 14. bis 17. Jahrhundert üblich gewesen waren. Aber bald 
trat das Neue ein: der dritte Stand riß die Entscheidung an 
sich; er erklärte sich am 17. Juni 1789 für die Nationalversammlung. 
Und dann begann der wunderbare Kreislauf, der zur Abschaffung des 
Königtums, zur Schreckensherrschast bis zum Sturze Robespierres, dann 
aber zur Umkehr, zum Direktorium, Konsularregierung und Kaisertum, 
schließlich zur Wiederherstellung des Bourbonischen Königtums führte. 
Dem entsprach die Verfassung und das Wahlrecht: zunächst immer 
demokratischer, dann Umfchwung. 
Die konstituierende Versammlung beendete im September 1791 ihre 
Verfassung. Alle Gewalt wurde dem Volke übertragen: Das Volk er- 
hielt in den 83 Departements, in den Kreisen und Gemeinden volle Selbst- 
Verwaltung; außerdem wählte es die Abgeordneten für die Nationalversammlung, 
welche die Angelegenheiten des Gesamtstaates ordneten, sogar über Krieg und 
Frieden bestimmten. Der König verlor alle Gewalt und behielt nur noch ein 
aufschiebendes Veto. 
Das Wahlrecht war an folgende Bedingungen geknüpft: 
1. Alter von 25 Jahren; 
2. Wohnung in Kanton oder Stadt seit einem Jahre; 
3. Zahlung einer direkten Steuer im Werte von 3 Tagen Arbeit; 
4. kein Dienstbote. 
Die Wahl war eine indirekte. 
Der Nationalkonvent beseitigte gleich am 1. Tage seines Zusammen¬ 
tritts (21. Sept. 1792) das Königtum und erklärte Frankreich für eine Republik. 
Bei dem Wahlrecht hob er alle Beschränkungen außer der vierten auf und setzte 
das Alter auf 21 Jahre herab. Aber die Wahl blieb eine indirekte. 
Die Direktorialregierung (1795—1799) bestand aus einem Direktorium 
von 5 Mitgliedern für die ausübende Gewalt und zwei Kammern (einer Art 
Oberhaus und Unterhaus). 
Die Consularregierung (1799—1804) verstand es, den republikanisch- 
demokratischen Schein zu wahren; tatsächlich wurde alle Gewalt in die Hände 
des ersten Consuls (Napoleon Bonaparte) gelegt. Von den beiden Kammern 
1) Montesquieu sieht gerade in der Trennung der Gewalten das Wesen 
der Freiheit. Dies ist ein großer Irrtum. Der Staat muß eine Einheit sein, 
und immer wird die letzte Entscheidung an einer Stelle liegen: bei dem „Einen" 
oder bei den „Wenigen" oder bei den „Vielen".
	        
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