Full text: Lehr- und Lesebuch für weibliche Sonntags- und Fortbildungsschulen

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Schone Deine Gesundheit; sie ist das kostbarste Gut des Menschen, 
ein Gut, dessen Wert wir leider erst dann einzusehen pflegen, wenn 
es verloren ist. — Wenn Du in Gesellschaften bist, so leihe Dein 
Ohr nicht solchen Unterhaltungen, die Dich erröten machen. Eine 
Jungfrau, von deren Blüte der zarte Schmelz der Sittsamkeit ab— 
gestreift ist, hat ihr zeitliches und ewiges Glück verscherzt. Sei 
insbesondere mißtrauisch gegen Schmeichler und zudringliche Men— 
schen! Diese gefährden am meisten die innere Ruhe unschuldiger 
Mädchen. Onkel und Tante sind würdige Leute; suche Dir ihr Wohl⸗ 
wollen und ihre Achtung zu erwerben und zu erhalten. Empfiehl 
uns ihnen herzlichst und bitte sie, sie möchten Deine Schwächen 
nicht nachsichtig übersehen, sondern Dich auf dieselben aufmerksam 
machen, damit Du vor Fehltritten und Nachteilen bewahrt bleibst. 
Gott erhalte Dich brav und gesund! 
22 Deiner treubesorgten Mutter. 
Regensburg den 1. Dezember .... 
Geliebte Schwester! 
Ohne Deine Antwort auf meinen letzten Brief abzuwarten, 
schicke ich mich heute schon wieder an Dir einige Nachrichten von 
uns zukommen zu lassen. 
Am 20. v. M. schrieb ich Dir, daß wir uns alle recht ge— 
sund und munter befänden. Leider ist das nun nicht mehr der 
Fall. Unsern guten Vater hat zu unserm großen Leidwesen gestern 
in den Frühstunden ein leichtes Unwohlsein befallen, das sich jedoch 
gegen Wend hin schon zu einem bedeutenden Kranksein steigerte. 
Natürlich wurde der Arzt sofort gerufen. Er erklärte die Krank— 
heit als die Folge einer starken Erkältung, gab aber zugleich die 
uns so wohltuende Versicherung, daß der geliebte Vater in fünf 
bis sechs, allerhöchstens in acht Tagen ganz bestimmt seinen Be— 
rufsarbeiten wieder werde vorstehen können. Gott mache des 
Arztes Tröstungen wahr! 
Sollten es Zeit und Umstände Dir nur einigermaßen erlauben, 
so würden wir es alle recht gern sehen, wenn Du uns und nament— 
lich den kranken Vater morgen oder übermorgen mit einem Be— 
suche erfreuen wolltest. 
Gott befohlen! Mit der innigsten Geschwisterliebe 
Deine 
Berta Winter. 
5) Liebste Julie! 
Soeben komme ich von unserer Freundin Emilie, bei welcher 
ich diesen Nachmittag im Kreise mehrerer Freundinnen einige sehr
	        
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