Preußen unter Wilhelm II. 127
grundlegende Steuer wurde eine einheitliche Einkommensteuer eingeführt. Das Neue
dabei ist: 1. wer jährlich mehr als 3000 ITtf. Einkommen hat, ist zur Hitgabe seines
Einkommens gesetzlich verpflichtet („Selbsteinschätzung"), tüer die Steuererklärung
verweigert ober versäumt, muß eine höhere Steuer zahlen. 2. Je höher das Ein¬
kommen, desto großer ist auch der Prozentsatz, der als Steuer an dem Staat ent¬
richtet werden muß. 3. Ruch Aktiengesellschaften usw. werden so herangezogen,
als wären es wirkliche Personen. Durch diese Neuerung wurde es möglich, alle Ein¬
kommen unter 900 Bit von der Staatssteuer ganz zu befreien. Trotzdem ist der
Steuerertrag für den Staat ungemein gestiegen.
Bei dem fortwährend zunehmenden Güterverkehr reicht selbst das große Eisen¬
bahnnetz Preußens kaum noch aus. Deshalb hat man einen weiteren Ausbau der
Kanäle Preußens begonnen. Für das Industriegebiet um Dortmund schuf man eine
künstliche Wasserstraße nach der Nordsee durch den Dortmund-Ems-Kanal. Bald
wird durch ihn auch der Rhein mit der Nordsee verbunden sein, also eine zweite
Mündung und zwar an der deutschen Küste haben, von der Llbmündung zur
alten Hansestadt Lübeck baute man den Elb-Trave-Kanal. Schon hat man auch
damit begonnen, durch einen „Großschiffahrtskanal" die Heichshauptstadt mit der
Gdermündung und dadurch mit der Ostsee zu verbinden.
Durch Sperrmauern hat man an vielen Gebirgsflüssen künstliche Stau-Becken
angelegt, so in Schlesien und im Ruhrgebiet. Dadurch schützt man die Flußtäler vor
Überschwemmungen und speist die Flüsse in der trockenen Zeit. Zugleich wird das
aus der „Talsperre" gleichmäßig ausströmende Wasser zur (Erzeugung von Elektrizi¬
tät benutzt, und eine ganze Gegend kann mit elektrischer Kraft versorgt werden.
Die (Torfmoore (z. B. in (Dstfriesland), welche bisher unbenutzt lagen und
fast unbewohnt waren, hat man auszunutzen begonnen. Itlan hat gelernt, aus dem
Kohlenstoff des Torfes Gas zu bereiten, welches zu allerlei gewerblichen Zwecken
dient. Die Landwirtschaft aber beutet den Stickstoff des Torfes als Pflanzennähr¬
mittel aus. Manche Gegend, die früher öde dalag, ist durch die,Moorkultur" gleich«
sam gewonnen worden. („Innere Kolonisation.") „Eins muß in das andre greifen,
eins durchs andre gedeih'n und reifen."
Preutzen als Verteidiger des Deutschtums in der Ostmark.
Die Polengefahr. Die Länder tüeftpreußen und Posen, welche durch die Tei-
lungen Polens neu erworben wurden und dauernd preußisch geblieben sind, haben
die ganze treue Fürsorge der hohenzollern erfahren. Sie waren verwahrlost und
verödet, als sie zu Preußen kamen. Längst sind sie wie umgewandelt. In Dorf und
Stadt herrscht Gesittung und Wohlstand. Rus dem geknechteten Bauer ist ein selb¬
ständiger Staatsbürger geworden; ein kräftiger Mittelstand hat sich gebildet. Dies
danken die Slawen der (Dstmark den deutschen Rnsiedlern und vor allen
Dingen den £)ohenzollernfürften. Trotzdem sind sie im herzen Polen geblieben.
Sie geben auch die Hoffnung nicht auf, sich noch einmal von Preußen loszureißen und
wieder ein politisches Reich zu bilden. Mehr als einmal ist es zu (Empörungen ge*