fullscreen: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren (Teil 3)

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sich allein zu betrüben, als seine Verstimmung in die Gesellschaft zu bringen. 
Nichts tröstet euch als die starke Anspannung, welche die Arbeit fordert, so 
lange sie dauert, verscheucht sie die traurigen Ideeu. Aber ach, wenn sie ge¬ 
endet ist, dann werden die Grabesgedanken wieder so lebendig wie vorher. 
(1759. 16. Aug.) Ich will mich den Feinden in den Weg stellen und 
mir den Hals abschneiden lassen oder die Hauptstadt retten. Ich denke, das 
ist Ansdaner genug. Für den Erfolg will ich nicht stehen. Hätte ich mehr 
als ein Leben, ich wollte es für mein Vaterland hingeben. Ich ertrage mein 
Unglück, ohne daß es mir den Mnt nimmt. Glauben Sie mir, man 
braucht noch mehr als Festigkeit und Ausdauer, um sich in meiner Lage 
zu erhalten. 
(1760. Okt.) Der Tod ist süß im Vergleich mit solchem Leben. Haben 
Sie Mitgefühl mit meiner Lage; glauben Sie mir, daß ich noch vieles 
Traurige verberge, womit ich andere nicht betrüben und beunruhigen will. 
Niemals werde ich den Moment erleben, der mich verpflichten wird, einen 
nachteiligen Frieden zu schließen. Keine Überredung wird mich bestimmen 
können, meine Schmach zu unterzeichnen. Entweder lasse ich mich unter den 
Trümmern meines Vaterlandes begraben, oder wenn dieser Trost bei dem 
Geschick, das mich verfolgt, noch zn süß erscheint, so werde ich meinem Leiden ein 
Ende machen, sobald es nicht mehr möglich sein wird, sie zu ertragen. Meine 
Jugend habe ich meinem Vater geopfert, mein Mannesalter meinem Vater- 
lande, ich glanbe dadurch das Recht erlangt zu haben, über meine alten 
Jahre zu verfüg eit. Ich habe alle meine Freunde verloren, meine liebsten 
Verwandten, ich bin unglücklich nach aller Möglichkeit, ich habe nichts zu 
hoffen, meine Feinde behandeln mich mit Verachtung, mit Hohnlachen, und 
ihr Stolz rüstet sich, mich unter ihre Füße zu treten. 
(1761. Juni.) Zählen Sie dies Jahr nicht ans den Frieden. Wenn das 
Glück mich nicht verläßt, so werde ich mich ans dem Handel ziehen, so gut 
ich kann. Aber ich werde im nächsten Jahr noch ans dem Seil tanzen und 
gefährliche Sprünge machen müssen, wenn es Ihren sehr apostolischen, sehr 
christlichen und sehr moskowitischeu Majestäten gefällt zu rufen: „Springe, 
Marquis!" — Ach, wie sind die Menschen doch hartherzig! Man sagt mir, 
du hast Frennde. Ja, schöne Freunde, die mit gekreuzten Ärmen einem sagen: 
„Wirklich, ich wünsche dir alles Glück!" — „Aber ich ertrinke, reicht mir 
einen Strick." — „Nein, du wirst nicht ertrinken." — „Doch, ich muß im 
nächsten Angenblick untergehen." — „O, wir hoffen das Gegenteil. Aber 
wenn dir das begegnete, so sei überzeugt, wir werden dir eine schöne Grab¬ 
schrift machen." — So ist die Welt, das sind die schönen Komplimente, wo¬ 
mit man mich von allen Seiten bewillkommnet. 
(1762. Jan.) Ich bin so unglücklich in diesem ganzen Kriege gewesen 
mit der Feder und mit dem Degen, daß ich ein großes Mißtranen gegen 
alle glücklichen Ereignisse erhalten habe. Ja, die Erfahrung ist eine schöne 
Sache; in meiner Jugend war ich ausgelassen wie ein Füllen, das ohne 
Baum aus einer Wiese umherspringt, jetzt bin ich vorsichtig geworden wie der 
alte Nestor. Aber ich bin auch grau, runzelig aus Kummer, durch Körper¬ 
leiden niedergedrückt und mit einem Worte nur noch gut, vor die Hunde ge¬ 
worfen zu werden. Sie haben mich immer ermahnt, mich wohl zu befinden, 
geben Sie mir das Mittel, mein Lieber, wenn man gezansi wird wie ich. 
Die Vögel, die man dem Mutwillen der Kinder überläßt, die Kreisel, die
	        
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