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Geschichte.
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Validitätsgesetzes vorgelegt. Dieses Gesetz trat jedoch erst nach dem Tode
des Kaisers in Kraft [1891].
9. Wilhelms I. Tod. Als der Kaiser im Alter von fast 91 Jahren starb,
sagte Bismarck im Reichstage: „Die heldenmütige Tapferkeit, das nationale,
hochgespannte Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflicht¬
erfüllung und die Liebe zum Vaterlande, die in unserm dahingeschiedenen
Herrn verkörpert waren, mögen sie ein unzerstörbares Erbteil unsrer Nation
sein!" Nicht nur das deutsche Volk stand trauernd an der Bahre des greisen
Kaisers, sondern alle Völker der Erde gaben bei seinem Tode ihre aufrichtige
Teilnahme zu erkennen.
XIII. Friedrich II!.
1. Friedrich als Kronprinz.
a) Seine Person. Kronprinz Friedrich hatte eine hohe, kräftige Gestalt,
einen milden, freundlichen Blick und ein festes, männliches Auftreten. Durch sein
glückliches Familienleben ging er dem Volke mit gutem Beispiel voran. Dazu
besaß er Eigenschäften, die jeden Menschen zieren. Stets zeigte er sich freund¬
lich, offen, bieder, gerade und leutselig gegen jedermann, auch gegen den Ge¬
ringsten. Er freute sich mit den Fröhlichen, scherzte mit seinen Soldaten und
nahm innigen Anteil an den Leiden seiner Umgebung. So gewann er
schnell die Herzen aller, die mit ihm in Berührung kamen. Er war der Lieb¬
ling des Volkes und wurde mit Stolz „Unser Fritz" genannt. Auch im Aus¬
lande bewunderte man ihn und beneidete Deutschland um einen solchen
Thronfolger.
b) Sein Wirken für das Vaterland. „Unser Fritz" stand, als er Kron¬
prinz wurde, im besten Mannesalter. Obgleich er an der Regierung des Landes
noch nicht direkt beteiligt war, stellte er doch seine ganze Kraft in den Dienst
des Vaterlandes. Den Krieg gegen die Dänen machte er freiwillig mit und
sammelte dabei in der Umgebung des Generals von Wrangel die ersten
Kriegserfahrungen. 1866 führte er mit Umsicht die II. Armee und ent¬
schied durch sein rechtzeitiges Eingreifen den Sieg bei Königgrätz. Beim Friedens¬
schluß stand er Bismarck treu zur Seite und half es durchsetzen, daß Österreich
kein Gebiet verlor. Dadurch wurde es möglich, später mit Österreich ein Freund¬
schaftsbündnis zu schließen. 1870/71 erwarb sich der Kronprinz als Führer
der süddeutschen Truppen große Verdienste um das Vaterland. Seinem leut¬
seligen Wesen und seiner sicheren Führung zu Sieg und Ruhm ist es in erster
Linie zu danken, daß bei den Süddeutschen der Preußenhaß schwand, und daß
zwischen Nord und Süd innige Freundschaft geschlossen wurde. Wenn er mit
seiner kurzen Pfeife im Munde durch die Reihen seiner Krieger ritt und hier
und dort ein freundliches Wort sagte, fo erscholl lauter Jubel im Heere. So
pflanzte er Begeisterung für das Vaterland in jedes Soldatenherz. Er war
es auch, der zuerst für die Erneuerung des Kaisertums eintrat, und der Wilhelm 1.
zu bewegen wußte, die Kaiserwürde anzunehmen.
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