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Palastes. Fremde Prinzen und Gesandten fanden hier eine Aufnahme
und Bewirtung, die alles übertraf, was das üppige Belgien ihnen an—
hieten konnte. Eine demütige Unterwürfigkeit gegen die Regierung kaufte
den Tadel und Verdacht wieder ab, den dieser Aufwand auf seine
Absichten werfen konnte. Aber diese Verschwendungen unterhielten den
Glanz seines Namens bei dem Volke, dem nichts mehr schmeichelt, als
die Schätze des Vaterlandes vor Fremdlingen ausgestellt zuͤ sehen,
und der hohe Gipfel des Glücks, worauf er gesehen wurde, erhoͤhle
den Wert der Leutseligkeit, zu der er herabstieg. Niemand war wohl
mehr zum Führer einer Verschwörung geboren, als Wilhelm der Ver—
schwiegene. Ein durchdringender, fesler Blick in die vergangene Zeit,
die Gegenwart und die Zulunft, schnelle Besitznahme der Gelegenheit,
eine Obergewalt über alle Geister, ungeheure Entwürfe, die nur dem
weit entlegenen Betrachter Gestalt und Ebenmaß zeigen, kühne Be—
rechnungen die an der langen Kette der Zukunft hinunterspinnen, ftanden
unter der Aufsicht einer erleuchteten und freieren Tugend, die mit festem
Tritte auch auf der Grenze noch wandelt.
Ein Mensch, wie dieser, konnte seinem ganzen Zeitalter undurch—
dringlich bleiben, aber nicht dem größten Kenner der Gemüter, dem
mißtrauischsten seines Jahrhunderts Philipp der Zweite schaute schnell
und tief in einen Charakter, der, unter den gutartigen, seinem eigenen
am ähnlichsten war. Hätte er ihn nicht so vollkommen durchschauůt, so
wäre es unerklärbar, wie er einem Menschen sein Vertrauen nicht ge—
schenkt haben sollte, in welchem sich beinahe aͤlle Eigenschaften prrtin en
die er am höchsten schätzte und am besten würdigen konnte. Äber
Wilhelm hatte noch einen andern Berührungspunkt mit Philipp dem
Zweiten, welcher wichtiger war. Er hatie seine Staatskunst bei dem—
selben Meister gelernt ünd war, wie zu fürchten stand, ein fähigerer
Schüler gewesen. Nicht, weil er den Fürsten des Macchiavell zu seinem
Studium gemacht, sondern weil er den lebendigen Unterricht eines
Monarchen genossen hatte, der jenen in Ausübung brachte, war er mit
den gefährlichen Künsten bekannt worden, durch welche Throne fallen
und steigen. Philipp hatte hier mit einem Gegner zu thun, der auf
seine Staatskunst gerüstet war, und dem bei einer guten Sache auch
die Hilfsmittel der schlimmen zu Gebote standen. Und eben dieset
letztere Umstand erklärt uns, warum er unter allen gleichzeitigen Sterblichen
diesen am unversöhnlichsten haßte und so unnalürlich fürchtete.
Den Argwohn, welchen man bereits gegen den Prinzen gefaßt
hatte, vermehrte die Melbenln Meinung von seiner Religion. Wilhelm
glaubte an den Papst, so lange der Kaiser, sein Wohlthäter, lebte;
aber man fürchtete mit Grund, daß ihn die Vorliebe, die seinem jungen
Herzen für die verbesserte Lehre gegeben worden, nie ganz verlassen
habe. Welche Kirche er auch in gewissen Perioden seines Lebens mag
vorgezogen haben, so hätte sich jede damit beruhigen können, daß ihn
keine einzige ganz gehabt hat. Wir sehen ihn in späteren Jahren beinahe
mit eben so wenigem Bedenken zum Calvinismus übergehen, als er in
früher Kindheit die lutherische Religion für die römische verließ. Gegen
die spanische Tyrannei verteidigte er mehr die Menschenrechte der