Full text: Von der Entstehung eines selbständigen deutschen Reichs bis zu Karl V. 843 - 1519 (Theil 2)

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Der Reichstag. 
Der Reichstag ward vom Kaiser berufen. Diesem allein stand 
das Recht einer solchen Berufung zu, ebenso wie das des Vorsitzes. 
Aus diesem Grunde war die Fürftenversammlnng zu Forchheim 
1077 kein wirklicher gesetzmäßiger ReiLstag. Die Einladungen 
zum Reichstag ergingen vom Kaiser an die einzelnen Fürsten, Bischöse 
u. s. w. direkt und persönlich, Sie sollten an alle, die überhaupt 
dazu berechtigt waren, in gleicher Weise ergehen, und es war daher 
nicht in der Ordnung, wenn Heinrich IV. solche Einladungen (wie aus 
einer Urkunde hervorgeht) nur an die Bischöfe erließ, deren er 
mehr als der weltlichen Fürsten sicher zu sein glaubte. 
Einen sesteu Sitz des Reichstages gab es nicht. Je nachdem 
der Kaiser da oder dort verweilte, vielleicht auch je nachdem er mehr 
aus diesem oder mehr aus jenem Teile des Reichs einen stärkern 
Zuzug wünschte und erhoffte, ward der Reichstag bald hierhin bald 
dahin berufen. 
Die Kompetenz des Reichstags war keine genau begrenzte. 
Doch lag es in der Natur der Sache, daß allgemeine, das ganze 
Reich berührende Angelegenheiten, ferner solche, welche die Verhält¬ 
nisse unter den Großen selbst oder dieser zum Kaiser betrasen, auf 
den Reichstagen verhandelt wurden, also Krieg und Frieden, neue 
Einrichtungen ober Gesetzgebungsmaßregeln (z. B. Landfrieden, Verord¬ 
nungen im Zollwesen, Feststellungen über bie Rechte ber Fürsten, wie 
bie von 1220 unb 1232, überHanbels- uub Gewerbesacheu, wie bie von 
1235, u. ct. m.). Auch Entscheibnngen, sowohl in streitigen Verwal¬ 
tungsfragen (z. B. Zollsachen), als solche schiedsrichterlicher Natur, 
würben bem Reichstage abverlangt unb von ihm gegeben, so 1166 uub 
1174 in Streitsachen zwischen weltlichen Fürsten unb geistlichen Stif¬ 
tungen. In solchen Fällen wirb ber „Reichstag" wohl auch als 
„Reichsgericht" bezeichnet, wobei ber Kaiser als Vorsitzender Richter, 
bie Fürsten als Urteilsfüller fungieren. 
Neben den Reichstagen kommen auch „Hoftage" vor, auf denen 
der König im engern Kreise, mit wenigen, wahrscheinlich nur den ihm 
nächststehenden und vertrautesten Fürsten, beriet, ferner .Landtage", 
welche die Könige auf ihren Rundreisen durch das Reich in den ein¬ 
zelnen Herzogtümern abhielten und zu denen wohl die Vornehmeren 
des betreffenden Stammes berufen würben, um mit ihnen Angelegen¬ 
heiten bes Herzogtums zu beraten. 
Die Beschlüsse ber Reichstage würben vom Kaiser „verkünbigt", 
ober (wie es aubere Male heißt) „beurkundet". Ein eigentliches Be- 
stätigungsrecht (beziehungsweise ein Veto), scheinen bie Könige nicht
	        
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