Soziale Zustände. Das Lehnswesen. Das Rittertum. 73
eine treffliche Gelegenheit. Der Dienst der Kirche, des Christentums,
war der höchste, den es geben konnte. Für diesen besonderen Zweck
bildeten sich förmliche Ritterorden, wieder Templer-,der Johauiter-
oder Malteser-,*) der Deutsche Ritterorden, von denen der letzte (1! 91
durch Friedrichs I. Sohn Friedrich gestiftet) sich später das Ver¬
dienst einer Christianisierung und Germanisiernng der noch heidnischen
Listseeländer erwarb. Durch die Hinlenkung auf ein gemeinsames
religiös-christliches Ziel erhielt das Rittertum etwas Weltbürgerliches,
Kosmopolitisches, wogegen das national-patriotische Moment, die
Hinopferung fürs Vaterland, mehr zurücktrat.
Durch eben diese Richtung auf das Übersinnliche, Ideale, ward die
ritterliche Thätigkeit ein bevorzugter Gegenstand dichterischer Verherr¬
lichung; der Ritter ward, was früher der Held der Sage gewesen war.
So entstand die Ritterpoesie, die bald mehr das weltlich kriegerische,
bald (wie im Pareival) mehr ein religiös-mystifches Element des
Rittertums hervorhebt, seltener (wie in manchen Liedern Walthers
von der Vogelweide) das nationale, vaterländische. Viele Vertreter
dieser Ritterpoesie waren selbst Ritter. Zu dem Dienste der Ehre
oder der Kampfeslust und dem Dienste der Kirche kam dann als
ein drittes Merkmal echten Rittertums der Dienst der Frauen
oder die sogenannte „Minne". Der Ritter widmete fein Schwert
irgend einer Dame, trug deren Farben, kämpfte, wenn es nötig, für
deren Ehre (z. B. indem er sie für die schönste aller Frauen erklärte),
bestand wohl auch auf ihr Verlangen allerhand Abenteuer ihr zum
Ruhme. Bei diesem „Minnedienst" (wie selbst bei dem Dienst der
Kirche) war es im Grunde wohl mehr auf die Bethätigung der
Tapferkeit und Unerschrockenheit des Ritters, als auf den eigentlichen
Zweck seines Handelns abgesehen: es war mehr ein Spiel der Phan¬
tasie und ein Gebot der Sitte, als eine Sache des Herzens. Daher
war auch dieser Minnedienst am frühesten und am stärksten im
Gebrauch bei den phantasiereichen Franzosen und kam erst von diesen
<in der Dichtung wie in der Wirklichkeit) zu den ernsteren Deutschen.
Neben solchen idealen Seiten des Rittertums (welche dasselbe
teils wirklich besaß, teils von der Poesie zugewiesen erhielt) zeigt
uns die Geschichte aber auch andere, viel weniger ideale, so nament¬
lich die, besonders zu Ende dieser Periode immer mehr überhand¬
nehmende, des Raubrittertums.
*) L. Schillers „Malteser" und „Kampf mit dem Drachen."