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in der ^o!ge von drüben das Geschliffener in
immer schnellerem Auseinander. Von vorn lief
die Meldung ein, daß einige schwarze Schatten
sich vor der französischen Linie bewegten. Aber
immer noch blieb es ruhig und still. Quälend
war dieses Warten. Von drüben blitzte ein
Scheinwerfer auf, noch einer, mehr, da, dort,
überall. An den vordersten Linien der deutschen
Stellungen sammelten sie ihr Licht zusammen
und tauchteu die ersten Gräben in blendend wei¬
ßen Schein. Gleichzeitig begann von „drüben"
Kleingewehrsener heranzuhämmern. In den
deutschen Stellungen blieb aber noch alles ruhig
uud still. Doch lag Mann sür Mann an seinem
Platz hinter dem Gewehr, die Munition hand¬
gerecht neben sich: es konnte losgehen. Schon
während der Nacht waren an einigen Orten ei¬
nige Maschinengewehrabteilungen aus der Linie
vorgenommen worden, um Flankenfeuer abzu¬
geben, sobald die Franzosen nahe genug waren.
Wenn die französischen Scheinwerfer dann
und wann ihre Lichtsäulen kreisen ließen, sah
man dichtgedrängte, lange Reihen schwarzer Ge¬
stalten sich von drüben loslösen und auf die
deutschen Gräben zueilen. Zeitweilig blitzten
die Bajonette im reflektierten Licht. Und im¬
mer noch schwieg alles in den deutschen Stel¬
lungen. Nur die über die ersten Linien vorge¬
triebenen deutschen Posten wurden zurückgenom¬
men. Prachtvoll war die Haltung der Mann¬
schaft. Ruhig, oft rauchend, wie wenn nichts
wäre, lagen sie schußbereit und warteten den Be-
sehl ab. Mir kamen die Minuten qualvoll laug
vor. Und immer noch wurde der Befehl zum
Feuer nicht gegeben. Alles war ruhig.
Schon sah man im Dunkel der Nacht, ins
Gigantische verzerrt, die lange dichte Linie
schwarzer Schatten anfluten von drüben her, —
da blitzten in den deutschen Linien die Schein¬
werfer auf, und gleichzeitig hämmerten die Ma¬
schinengewehre unbarmherzig ihr Feuer auf die
Stürmenden. Die schwarzen Schattengestalten
fingen an zu schreien und stürzten rennend vor¬
wärts gegen die Drahtverhaue der deutschen
Gräben. Im gleichen Angenblick schleuderten
nun auch die flankierenden Maschinengewehre ih¬
ren Eisenhagel in die Nacht hinaus. In das
zornige Schreien der An¬
greifer mischten sich die
chmerzensschreie derVer-
wnudeten, der Getroffe¬
nen. Die lange dichte
Kette schwarzer Schatten
wurde lückenhaft; dennoch
Itürzten sie vorwärts.
Aber je näher sie kamen,
desto fester: umfing sie das
Licht der deutschen Schein¬
werfer, um so härter, un¬
barmherziger prasselte da:-
Feuer der Gewehre. Im¬
mer größer riß der Stahl¬
hagel die Lücken, immer
lichter wurden die Reihen,
immer weniger Schatten
sprangen näher. Aber den¬
noch — sie näherten sich,
und schon waren die ersten
an den Drahtverhauen,
Doch fielen sie dort
nieder wie das Gras unter der Sense
des Schnitters. Schauerlich, gräßlich mar
ihr Stöhnen und Jammern. Immer noch wälz¬
ten sich neue Kompagnien heran, immer weiter
rasselte das Abwehrfeuer. Wieder riß der Stahl
Lücken. Als die letzten an die Drahtverhaue
heranfluteten, und zumeist hinsanken im Feuer,
kam der Befehl an eine Abteilung, vorzugehen.
„Das Seitengewehr pflanzt auf, fällt das Ge¬
wehr!" war der kurze Befehl, und rasch ging's
zum Graben hinaus, durch das Zickzack der
Drahtverhauivege hindurch. Es gab nur ein kur¬
zes Gewoge. In dem fürchterlichen Feuer wa¬
ren die französischen Mannschaften erschüttert
worden; in kurzer Zeit verlor sich das Feuer
in einzelne Schüsse, löste sich ganz auf, und es
war wieder stille und ruhig. Die Deutschen führ*
Ein im Bau befindlicher Unterstand, den bayrische Landsturmnuppen in den
Vogesen errichten.