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V. Die deutschen Kolonien.
§ 51—52.
3. Die Pachtung Kiautschou ^kjaudschö-u^.
500 qkm, 120000 E. 240 E. auf 1 qkm. Im Jahre 1905: 1225 ansässige Weiße.
§51. Die Kiautschöubucht, an der Südostküste der Halbinsel Schantnng^,
haben wir von China gepachtet. Dazu tritt eine neutrale Zone, halb so
groß wie das Königreich Sachsen, in der China keine Maßregel ohne
deutsche Zustimmung treffen darf. In dieser liegt die ehemals blühende
Stadt *Kiantschöu.
Die Bucht, die durch Gestalt und Maße an den Jadebusen erinnert,
jedoch tiefer ist, wird von einem fruchtbaren Tieflandsaum umrahmt,
den wieder entwaldete, felsige und dicht bevölkerte Gebirge umspannen.
Zwei Gebirge von 1400 und 675 m schützen die über 3 km breite und tiefe
Einfahrt in die Bucht. Jenseit der Berge neigt sich das Land zur Ebene.
Das Klima ist gesund (Fig. 9). Die Lage unter Gibraltars Breite setzt
einen sehr heißen Sommer voraus, während die Winter, den chinesischen Ver-
Hältnissen entsprechend, streng sind, und die Bucht bisweilen zum Teil zufriert.
Wirtschaftliche Bedeutung. Die Bucht bildet den besten Hafenplatz in
Nordchina, wenn es der Aufforstung gelingt, die Versandung der Bucht zum Still-
stand zu bringen. Eine breite Bodensenke durch die Wurzel der Halbinsel Schan-
tuug führt die Straßen an den Hoangho. Darauf beruht die Aussicht, den aus
Villenstadt, Seebad und Chinesenviertel bestehenden Freihafen Tsingtau, den Sitz
der deutschen Verwaltung, an der östlichen Seite der Einfahrt (Bild 37), zum
Haupthafen des steinkohlenreichen, gewerbtätigen, dicht bevölkerten
Hinterlandes und zur Kohlenstation für die blühende deutsche Küsten-
schiffahrt zu machen.
Die Fahrtdauer der Postdampfer von Bremerhaven bis Tsingtau beträgt
etwas mehr als 50 Tage. Mit Benutzung der Sibirischen Bahn beanspmcht
die Reise von Berlin etwa halb so viel Zeit. Die Schantungbahn (435 km),
die bis an den Hoangho fortgesetzt werden soll, erschließt die reichen Kohlenlager
des Hinterlandes.
4. Entwicklung und Vergleich der Kolonien der europäischen
Staaten.
§ 52. a) Seit dem Untergange des Weströmischen Reiches sind neben den Arabern
hauptsächlich die Germanen Träger kolonialer Bestrebungen gewesen. Im 9. Jahr-
hundert haben die Normannen weithin über die Färöer nach Island ihre Siedlungen
ausgedehnt, am Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrhunderts nach Grönland und
Nordostamerika. Diese Niederlassungen gingen freilich bald zugmnde, dafür aber
blühten die im 9. und 11. Jahrhundert gegründeten Siedlungen in Nordfrankreich,
Süditalien und England schnell zu Macht und Ansehen empor.
Die Untemehmungen der Deutschen im 10., 12. und 13. Jahrhundert, das sla¬
wische Land östlich der Elbe wiederzugewinnen, zeugen ebenfalls von germanischem
Kolonifationstrieb. Eine Art von Handelskolonien indes gründete durch ihre
1 D. i. „Stadt der Kiau", eines alten Volksstammes auf der Halbinsel Schantung.
Wb. Eschner Nr. 9, Wünsche Nr. 6. — - D. i. Ostlich der Berge.