Full text: Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare

3. Das tropische Klima. 
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Südwind anlangt, ursprünglich ein Südwestwind gewesen sein muß, so ist 
jener kalte Wind von der hohen Kette der peruanischen Andes zu Beginn der 
südlichen Winterzeit herzuleiten; er ist also ein kalter Gebirgswind, der aus seinem 
Wege über ausgedehnte Wälder nicht die sonst herrschende Tropenhitze annehmen 
konnte. 
Ein Vergleich wird die Ursache des großen Unterschiedes zwischen dem aqua- 
torialen und dem gemäßigten Klima selbst dann, wenn beide nahezu gleiche Mengen 
von Sonnenwärme empsangen, noch klarer machen. Man denke sich zwei Wasser- 
behälter, in deren jedes ein Rohr 5000 Liter Wasser täglich fördert; dies Zuströmen 
findet jedoch nur bei Tage statt, bei Nacht ist das Rohr geschlossen. Beide Behälter 
sind undicht; aber während der eine pro Tag 4500 Liter verliert, läßt der andere in 
derselben Zeit 5500 Liter durchsickern, vorausgesetzt, daß beide genau zur Hälfte voll 
uud danach gleichem Wasserdrucke ausgesetzt sind. Läßt man nun beide Behälter 
sich aus den Röhren füllen, so wird der eine mehr Wasser empfangen, als er verliert, 
und der Stand in demselben wird sich von Tag zu Tag erhöhen, bis der größere Wasser- 
druck das Durchsickern in dem Maße vermehrt, daß Gleichgewicht eintritt; in dem an- 
deren wird dagegen der Wasserstand sinken, bis der verminderte Druck auch das Durch- 
sickern so sehr mäßigt, daß es dem Zustrom gleichkommt. Alsdann wird die Wasser- 
menge in beiden Behältern sich gleich bleiben, im einen jedoch bei einem höheren, 
im anderen bei einem tieferen Niveau. Dies gilt von dem mittleren Stande, während 
bei Tage, also während des Zustromes, das Wasser in beiden Behältern steigen, bei 
Nacht fallen muß. Ganz dasselbe gilt von dem großen Wärmereservoir der Erde. 
Die Temperatur, welche au irgendeinem Punkte herrscht, hängt nicht bloß von der 
empfangenen Wärmemenge ab, sondern vielmehr von dem Punkte, auf dem sich 
Einnahme und Ausgabe ins Gleichgewicht setzen. So wird es erklärlich, daß Schott- 
land im Hochsommer bei 57° Nordbreite ebensoviel Sonnenwärme empfängt wie 
Angola oder Timor bei 10° Südbreite, und sogar täglich noch mehrere Stunden 
länger, und dennoch eine erheblich geringere Temperatur hat — 15° C im Mittel 
und 21 bis 24° im Maximum gegen 26 £° C im Mittel und 32 bis 35° im Maxi- 
mum, welche jenen Tropenländern zukommen —; und auf die nämliche Weise 
erklärt es sich auch, daß man in Schottland durchaus keine unangenehmen Folgen 
davon hat, wenn man die Haut der direkten Sonnenhitze um Mittagszeit aussetzt, 
während dies in Timor schon von 9 Uhr morgens an bis 3 Uhr nachmittags fast ebenso 
sicher Brandblasen auf der Haut hervorrufen würde, als wenn man sie mit heißem 
Wasser übergösse. 
Vermehrung der Wärme durch Kondensation des Wasserdampfes. — 
Eine fernere Ursache der Erhaltung der gleichförmigen Hitze unter dem Äquator im 
Vergleich zu den starken Temperaturschwankungen der übrigen Zonen ist die große 
Menge von Wärme, welche bei der Kondensation des Wasserdampfes der Luft in 
Form von Regen und Tau frei wird. Infolge davon, daß die Atmosphäre der Tropen 
sich sehr oft dem Sättigungspunkte nähert, und daß sie bei ihrer hohen Temperatur 
eine große Masse von Damps sassen kann, ist schon ein ganz unerhebliches Sinken des 
Thermometers von der Kondensation einer beträchtlichen absoluten Menge Wasser- 
dampses begleitet; reichlicher Tau und heftige Regengüsse stellen sich bei hoher Tem- 
peratnr und bei geringer Meereshöhe ein. Die Regentropfen wachsen rasch an 
Umfang, da sie durch eiue mit Dampf gesättigte Atmosphäre fallen; und hierbei 
sowie beim Tauen wird die latente Wärme des Wasserdampfes frei und hilft die 
hohe Temperatur der Luft erhalten. 
Lerche, Erdkundl. Lesebuch. Z
	        
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