Full text: Allgemeine Erdkunde, Die außereuropäischen Erdteile, Europa (ohne Deutschland) (H. 1 = 3. Kl)

225 Das Königreich Großbritannien und Irland. § 241 Heft 
Holsen. Um diese zu brechen, sehen wir dann England und Frankreich im Krim- 
krieg (1854—56) zur Zeit der Königin Viktoria (1837—1901) Seite an Seite 
kämpfen^). 
Seit der Thronbesteigung ihres Sohnes Eduard VII. (1901—1910) machte 
sich mehr und mehr der Gegensatz zu dem in raschem wirtschaftlichen Auf- 
schwang begriffenen und darum den Engländern verdächtigen Teutschland 
bemerkbar. Durch ein Bündnis mit Frankreich (1903 und 1904 — trotz 
Fafchoda, s. § 222 —), durch Anknüpfung bündnisähnlicher Beziehungen 
zu Spanien und Portugal, durch Bemühungen, Italien vom Dreibund abzu- 
drängen und durch Annäherung an Rußland, dem man, entgegen aller Tra- 
dition, Zugeständnisse in Asien (Persien) machte (s. auch Dreiverband § 222) suchte 
er Deutschland „einzukreisen". Diese Politik wird auch unter seinem Nach- 
folger Georg V. (seit 1910) fortgesetzt, besonders durch die eifrigen Bemühungen 
des Ministers des Auswärtigen, Sir Edward Grey (Ministerpräsident ist zurzeit 
Asquith). Während der Marokkoverhandlungen zwischen Deutschland und Frank- 
reich im Sommer 1911 schien der Krieg vor der Tür zu stehen. Friedensfreunde 
auf beiden Seiten des Kanals arbeiten zurzeit eifrig an einer Entspannung des 
bedrohlichen Verhältnisses, anscheinend nicht ohne Erfolg. 
2. Zur innern Geschichte. Die innere Geschichte dreht sich wesentlich um die Verfassung, § 241 
um die Handelspolitik und um die Zustände Irlands. 
a) England ist das Land der ältesten Verfassung. Schon 1215 wußten die Großen den 
„fremden" Königen (den Aujous, f. o.) eine Verfassung abzutrotzen, die Magna Charta, die die 
Rechtsgrundlage des Oberhauses bildet, und 1265 wurde auch dem Bürgerstaud eine Mit- 
Wirkung bei der Gesetzgebung zugestanden, indem der Grund zum heutigen Unterhaus gelegt 
wurde. Bereits um 1700 bildete sich das heutige Zweiparteiensystem heraus (Liberale und 
Konservative). Die durch die Wahlen (die Wahlgesetze aber weniger freiheitlich als in Deutschland) 
zur Herrschaft gelangende Partei stellt auch den Ministerpräsidenten. Zurzeit ist die Leitung der 
Regierung in den Händen der Liberalen (Ministerpräsident Asquith). 1910 wurde der Einfluß 
des Oberhauses erheblich eingeschränkt. (Es kann ihm nicht genehme Gesetze auf die Dauer nicht 
mehr verhindern2).) 
b) Die Kämpfe um die Handelspolitik führten 1846 zur Aufhebung der Kornzölle uud 
damit zum Freihandel. Im Jahre 1903 eröffnete der damalige Kolonialminister Chamber- 
lain eine hestige Agitation für den Schutzzoll (mit Vorzugszöllen für die Kolonien, um diese 
fester an das Mutterland zu ketten), ohne daß bis heute ein gesetzgeberischer Erfolg erzielt 
worden wäre. 
c) Große Sorgen bereiteten von jeher die Zustände in Irland. In Veranlassung des natio- 
nalen und konfessionellen Gegensatzes (die Jrländer sind Kelten und zu 3/4 katholisch) erfolgten seit der 
Unterjochung (1170) fortwährende Aufstände, die mit umfassenden Landenteignungen bestraft 
wurden. Auf diese Weise kam sast der ganze irische Gruud und Boden in die Hände 
englischer Lords, deren „Mittelsmänner" die armen Pächter aussaugen. Infolge- 
dessen ging die Bevölkerung durch Auswanderung seit 1845 von 874 auf 4y3 Mill. 
x) Andere wichtige Ereignisse aus der Zeit Viktorias: Bedeutende Gebietserweiterungen in 
Ostindien, Übergang des Landes von der Ostindischen Kompagnie an den Staat (1858) und Er- 
Hebung Indiens zum Kaiserreich, 1876; Einverleibung Birmas 1886; Gladstones Kämpfe für 
Reformen in Irland, f. unten; Beginn des Burenkrieges 1899, der ein Jahr nach Viktorias 
Tod zur Einverleibung der beiden Burenstaaten führte, 1902. — Englisches Sprichwort: Right 
or wrong — my country, zu deutsch: „Recht oder Unrecht — mein Vaterland" (hat mich stets 
auf seiner Seite). 
2) Hier sei eingeschoben, daß 1908 die erste Sozialreform (Altersversorgung der Arbeiter) 
beschlossen wurde. 
H. Harms, Erdkundliche Hilfsbücher für Lehrerbildungsanstalten. Seminarheft I. 15
	        
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