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Dieser Streit hatte auf Mendelssohn’s Gesundheit sehr nachtheilig gewirkt;
er verfiel in ein schweres Nervenleiden, das ihn auf Jahre hinaus zu jeder
geistigen Arbeit unfähig machte. In dieser für ihn so trüben Zeit hatte er die
Genugthuung, dass die Akademie der Wissenschaften zu Berlin ihn zu ihrem
Mitglied erwählte, aber Friedrich der Grosse strich den Juden höchst eigen¬
händig von der Liste und versagte hartnäckig die Bestätigung. Ruhig ertrug
Mendelssohn auch diese Zurücksetzung und tröstete sich damit, dass es ihm lieber
wäre, dass der König ihm die Aufnahme versagte, als wenn dieser ihn gewählt,
die Akademie aber ihn als untüchtig verworfen hätte.
Mendelssohn, der trotz der hervorragenden geistigen Stellung immer wieder
erfahren musste, dass er Jude sei, scheute es lange, für seine Glaubensgenossen
entscheidend einzutreten. So oft sich ihm Gelegenheit bot, suchte er freilich die
Lage derselben zu verbessern. Als man den wenigen in der Schweiz wohnenden
Juden das Heirathen verbieten wollte, und als eine grosse Anzahl verarmter
jüdischer Familien aus Sachsen verwiesen werden sollte, verwandte er sich für
sie und beidemal mit Erfolg. Seinem Einfluss ist es auch zuzuschreiben, dass
die Aufsicht, welche über den jüdischen Gottesdienst, namentlich wegen des ver¬
dächtigten Alenu-Gebetes geübt wurde, schwand. Infolge des Lavater’schen
Streites beschloss er nun, auch seine literarische Thätigkeit mehr seinen Glaubens¬
genossen zu widmen.
Vor Allem wirkte er dahin, sie der bürgerlichen Gleichstellung durch An¬
eignung deutscher Bildung würdig zu machen und an Stelle des Jargons die
reine deutsche Mundart treten zu lassen. An der Hand des altehrwürdigen
hebräischen Textes sollte die Jugend frühzeitig die deutsche Sprache erlernen.
Von diesem Gesichtspunkt aus schritt er zur Veröffentlichung der deutschen
Uebersetzung des Pentateuchs, welche er eigentlich zum Gebrauch für seine
Kinder angefertigt hatte. Er versah dieselbe mit einem hebräisch geschriebenen
Commentar (Biur), der zum Theil von ihm selbst, zum Theil von seinen Mit¬
arbeitern Salomo Dubno, H. Wessely, Ahron Jaroslaw und Herz Homberg herrührt.
Das Unternehmen fand nicht blos in Deutschland, sondern auch in Holland,
England, Frankreich, Italien, selbst in Polen die günstigste Aufnahme; sogar
der König von Dänemark, die Prinzen und Grossen des Reiches subscribirten
auf das V erk. Auch mehrere einsichtsvolle Rabbiner, wie der berliner Ober¬
rabbiner Hirschei Levin, auf dessen Veranlassung Mendelssohn 1778 die
„Ritualgesetze der Juden“ ins Deutsche übertragen hatte, und dessen Sohn Saul
in Frankfurt a/O. sprachen unverhohlen ihre Freude über das Erscheinen des
Werkes aus; andere hingegen, wie der prager Oberrabbiner Ezechiel Landau
(st. 1793), der berühmte Verfasser der Gutachtensammlung „Noda Bijehuda“, der
Hamburg-Altonaer Rabbiner Raphael Koben (st. 1803) und dessen Schwieger¬
sohn Hirsch Janow, auch Hirsch Charif, der Scharfsinnige, genannt, sowie
Pinchas Hurwitz (st. 1802), Verfasser des „Haphlaah“, traten ihm feindlich
entgegen. Sie gingen soweit, dass sie alle diejenigen, welche sich der Ueber-
setzung des „Mosche Dessau“ bedienten, mit dem Banne bedrohten; in Posen
und Lissa soll die Mendelssohn’sche Uebersetzung, die 1783 vollendet wurde,
sogar verbrannt worden sein.