C. Hus der
dcutfchcn Götter- und Heldensage.
I. Die deutfchc (oötterwelt*
Wie. die Griechen, so erkannten auch die alten Deutschen in
den segenspendenden und verderbenbringenden Naturgewalten
das Wirken höherer Wesen. Mit frommer Scheu betrachteten sie
die Vorgänge in Wald und Feld, in Luft und Wasser, in Haus
und Hof; was sie dabei beobachteten, daraus formte ihre Borstel-
lungskraft Gestalten, die mit übernatürlichen Kräften ausgestattet
waren.
So lebten nach ihrer Ansicht in den Wäldern zahlreiche Wald-
männlein und zierliche Elfen, in den Gewässern die fisch-
geschwänzten Nixen und Wassermänner, in den Bergen
die Zwerge, in den Häusern der Menschen die neckischen K o -
b o l d e und die fleißigen Heinzelmännchen oder W i ch t e l -
männchen. Alle diese Wesen waren von kleinem Wüchse und
den Menschen freundlich und hilfreich gesinnt, doch beanspruchten
sie rücksichtsvolle Behandlung und kleine Aufmerksamkeiten; täuschten
sie sich darin, neckte und reizte man sie, so wurden sie ärgerlich und
fügten den Menschen allerhand Schaden zu.
Aber es gab auch Wesen von übermenschlicher Größe, das
waren die Hünen oder Riesen, täppische Gesellen, die große
Baumstämme umbrachen und als Waffen benutzten, mitunter auch
gewaltige Steinblöcke in die Tiefe rollen ließen. Da viele von ihnen
bösartiger Gesinnung waren, mußten d e Menschen vor ihnen be-
ständig auf der Hut sein; glücklicherweise waren ihre Geisteskräfte
gering, so daß es oft gelang, ihre bösen Anschläge durch List zu
vereiteln.
Hoch über den Menschen standen die oberen Götter. Wie die
griechischen Olympier waren sie durch Kampf mit ungeheuren
Riesen, in denen die rohen Naturkräfte verkörpert waren, zur Herr-
schaft über die Welt gelangt. Aber wenn jene ein frohes Genuß-
leben führten, war den deutschen Göttern ein mühe- und sorgen-
volles Dasein beschieden. Das entsprach dem Unterschied zwischen
dem milden Klima und ewig blauen Himmel Griechenlands und