Von den Vogelsbergern. 295
suchte jede „arme hungrige Seele" in seine Krallen zu bekommen. So der-
schrieb sich ihm auch ein armer Schmied für vieles Geld und für drei Jahre
Dienstzeit, nach dessen Ablauf ihm der Teufel drei Probestücke liefern sollte.
Eine Zeit lang ließ es sich unser Schmied wohl sein nnd legte sich nach uud
nach ein ganz ansehnliches „Schmerbäuchelchen" zu. Als aber das dritte Jahr
anfing, auf die Neige zu gehen, da ward es ihm immer schwüler, und sein
Umfang schwand immer mehr. Ganz verstört wanderte er nun durch Wald
uud Feld und sah mit Zittern der Zukunft entgegen. Da begegnete ihm einst
ein buckliges Weibchen und fragte ihn nach dem Grunde seines schlechten Aus-
sehens. Nach einigem Zögern berichtet er ihr sein Herzeleid, und sie sucht ihn
zu trösteu und giebt ihm den Rath, ihm die drei Probestücke recht schwer zu
machen. Zuerst solle der Teufel ein paar von des Schmieds krausen Haaren
gerade schmieden. „Dann", fuhr das alte Weib fort, „mußt du ein Ding
schmieden, dem man nicht ansehen kann, was es geben soll. Rath der Teufel
auf eine Schippe, dann schlägst du das Stück Eisen krumm und sagst, es gäbe
eine Hacke und umgekehrt. Endlich drittens: Läßt du deine Frau sich in einem
Backtrog voll Teig wälzen und dann in Bettfedern und setzest sie auf eine
Vogelstange. Nun fragst du den Teufel, was das für ein Vogel sei. Die
Antwort bleibt er dir gewiß schuldig." Gesagt, gethan. Als der Tag der
Probe gekommen war, gab unser noch so halb in Angst schwebende Schmied
dem schadenfroh lachenden Teufel zuerst eiu paar von seinen krausen Haaren,
damit er sie gerad hämmere. Aber je mehr unser Satan darauf loshieb, um so
krauser wurden sie. Danach legte er ihm sein problematisches Eisenstück vor,
uud als der Teufel auf eine Schippe rieth, hieb es der Schmied krumm und
rief höhnisch: „Prosit die Mahlzeit, eine Hacke soll's geben!" Somit war der
Teufel schon zweimal durchs Examen gefallen. Wie verdutzt war er aber erst,
als ihm der Schmied den bewußten Vogel zeigte! Da wnßte er nicht, ob es
eine Kropfgans oder eine „Jlmetritsch" sei, schwur, er hätte nie einen solchen
Vogel gesehen und fuhr schließlich mit Gestank in die Luft.
Von der Zeit an heißt die Gegend „der Vogelsberg".
Die Lebensweise der Vogelsberger ist sehr einfach. Außer geräucherter Wurst,
Dörrfleisch uud Speck genießen sie selten Fleischnahrung und leben zumeist von
Milch, Eiern, Kartoffeln und Kraut. Die Butter verkaufen sie meist; sie bildet
sogar den Hauptausfuhrartikel. Nur bei festlichen Gelegenheiten ersetzt die
„Butterschnitte" den in höheren Gegenden seltenen Kuchen. Beim Kindtauf-
schmaus bringen die Gevattern und Gevatterinnen der Wöchnerin „etwas mit
ins Bett", sei es ein Geldstück oder Beiträge an Kaffee, Wurst, Zucker,
Butter, Käse, Branntwein und dergleichen. Erst von Schotten an beginnt die
Kuchen- und Bratengegend, und an Stelle des Branntweins treten Wein uud
Apfelwein. Indessen hat die Kultur, die Alles beleckt, auch neuerdings gar
Manches an dem alten Herkommen geändert und die abgegrenzten Eigenthüm-
lichkeiten gesonderter Striche etwas nivellirt. Bei den Hochzeiten gehen Bräu-
tigam und Braut mit ihren Angehörigen in feierlichem Zuge nach der Kirche,
uud es gilt für eine besondere Ehre, wenn die Braut dabei ihren Jungfernkranz
mit Recht tragen darf. Die männlichen Anverwandten tragen beim Zuge zum
Hochzeitsschmaus die übliche thönerne Tabakspfeife. Auch bei Beerdigungen
findet ein Schmaus statt, womit man den Verstorbenen zu ehren glaubt.