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geschick, wenn er sich nicht mehr auf seine Truppen verlassen konnte!
Die glücklichste Gabe des Menschen, die Hoffnung, war ihm in
reicherem Maße zugefallen, als anderen Sterblichen. Aber allmählich
verdüsterte sich das Bild auch für sein so hoffnungsfrohes Auge Er
konnte sich nicht verhehlen, daß er schließlich doch von seinen Feinden
erdrückt werden müsse. 1760 schrieb er an einen Freund: „Die Ar¬
beiten des Herkules habe ich zu verrichten in einem Alter, wo die
Kraft mich verlaßt, meine Schwächen zunehmen, und wo mir, die Wahr¬
heit zu gestehen, die Hoffnung, dieser einzige Trost des Unglücklichen,
anfangt zu versagen. Sie kennen die Dinge nicht genug, um sich ein
klares Bild von den Gefahren zu machen, die den Staat bedrohen; ich
kenne sie und halte sie geheim; ich behalte alle Befürchtungen für mich
und lasse die Welt nur wissen, was ich hoffe, und was ich von wenigen
guten Botschaften ihr mitzuteilen weiß." Im Winter auf 1762 war seine
Hoffnung völlig dahin. Er meinte damals, er täte am besten, von der
Regierung zurückzutreten; seine Minister sollten dann versuchen, durch
Unterhandlungen mit den Feinden einen möglichst großen Rest des
Staates fur semen Neffen — Kinder hatte er nicht — aus dem Schiff¬
bruch zu retten. Auch erwog er den Gedanken, ob es nicht besser für
ihn sei, wenn er Gift zu sich nehme, damit er den Untergang seines
Staates nicht überlebe.
Aber im Anfang des Jahres 1762 trat eine Wendung ein, die ihn
wieder aufatmen ließ. Damals starb nämlich die Zarin Elisabeth, und
e'n fanatischer Bewunderer Friedrichs, Peter III., ward Beherrscher
aller Reußen. Peter III. stellte nun die Feindseligkeiten gegen Preußen
ein und schloß bald darauf Frieden. Die Folge war, daß sich auch
Schweden aus dem Kriege zurückzog. Beide Staaten, Rußland und
Schweden, erklärten sich damit einverstanden, daß der Zustand, der
vor dem Kriege bestanden hatte, wieder hergestellt werde. Dann
legte auch Frankreich die Waffen nieder. Frankreich hatte die ganze
Zeit über nicht bloß mit Preußen gekämpft, sondern zugleich in den
amerikanischen Kolonien einen großen Krieg mit England geführt.
Dieser Doppelkrieg hatte Frankreich völlig erschöpft, und darum
sah es sich gezwungen, 1763 mit England den Pariser Frieden zu
schließen. In diesem Frieden trat es alle seine Besitzungen am Lorenz¬
strom in Nordamerika an England ab, und ferner erklärte es sich da¬
mit einverstanden, daß in Deutschland alles beim alten bleibe. Somit
stand jetzt Österreich allein Friedrich II. gegenüber; das Deutsche
Reich kam nicht als selbständige Macht in Rechnung. Aber auch
Preußen und Österreich waren des Krieges müde geworden, und am
15. Februar 1763 schlossen sie den Frieden von Hubertusburg, durch
welchen der Breslauer und der Dresdener Friede bestätigt wurden,
so daß Friedrich im Besitz Schlesiens blieb.
Der Erwerb Westpreußens. Die Politik, der Friedrich
nach dem Abschluß des Weltkrieges zu folgen hatte, war ihm durch
die Lage seines Landes unerbittlich vorgeschrieben. „Preußen“, sagte
er> »ghch einem Menschen, der von Wunden zerfetzt, durch Blut¬
verlust erschöpft und nahe daran ist, seinen Leiden zu erliegen; es
bedurfte der Pflege, um seine Glieder wieder in die Gewalt zu be-