312 Die Auflösung des macedonisch- persischen Reiches.
rücksichtigung wegen der unvermeidlichen landschaftlichen Einflüsse ge¬
neigt war und durch dieselbe zu keiner Empfindlichkeit gegen die Herr¬
scher gereizt wurde. Die Schwäche, durch welche die Reiche im Laufe
der Zeit im Zusammenstöße mit der von Westen her sich ausdehnenden
römischen Herrschaft dem Untergange zugeführt wurden, lag daher in
andern Verhältnissen, einmal darin, daß die verschiedenen Beftandtheile
der Bevölkerung nicht zu einer neuen Nationalität verschmolzen und
dann darin, daß die Herrscher, als ihre Thätigkeit nicht mehr durch
Gründung und Regelung der neuen Verhältnisse in Anspruch genommen
wurde, in Selbstsucht und rohen Genuß versanken und die im Innern
ihrer Familien wüthenden Zwistigkeiten der Anhänglichkeit der Bevölkerung
eben so ungünstig als einem verderblichen fremden Einflüsse förderlich
waren. Die ganze hellenistische Gestaltung des Lebens war ein Fort¬
schritt in der Geschichte, aber ein Fortschritt, der das Heidenthum seinem
Untergange zuführte und von ferne auf die Verbreitung des Christen¬
thums vorbereitete. Das alterthümliche griechische Bürgerthum, wo
das Leben des Bürgers zunächst das Leben in der städtischen Genossen¬
schaft gewesen, war dahin und es entstand ein Kosmopolitismus, der den
Blick erweiterte und an die Stelle des Eifers für Verfassungskämpfe
eine Empfänglichkeit für die zum Gemeingut der Griechen gewordenen
Ergebnisse griechischer Bildung und einen Sinn für jede neue auf dem
weiten Schauplatze mögliche Thätigkeit setzte. Damit war die Be¬
schränktheit, die das altgriechische Wesen durch den Gegensatz der vielen
kleinen Gemeinwesen gegen einander und durch seinen Gegensatz zu
den Barbaren gehabt hatte, zum großen Theile überwunden und so
auch das Hinderniß, welches das Christenthum in der Einseitigkeit und
Abgeschlossenheit der einzelnen Nationalitäten zu überwinden hatte, für
den fraglichen Theil der Welt bedeutend vermindert. Dazu kam, daß
die Verbreitung griechischer Sprache und Bildung diejenige Vorbereitung,
welche die Völker auf dem Wege des sich selbst überlassenen Denkens mit¬
telbar für das Christenthum erhalten hatten, eine allgemeine ward und
eine große Erleichterung des Verständnisses demselben den Weg durch die
Länder ebnete. Nach dem Willen Gottes hatte das mit den glänzend¬
sten Naturgaben ausgerüstete Volk der Griechen Jahrhunderte hindurch
an der Bildung seiner Sprache gearbeitet und sie zu einem so hohen
Grade von Vollkommenheit entwickelt, damit die christliche Jdeenfülle in
möglichst Passenden Formen sich ergießen könnte. Die griechische Sprache
insbesondere, das Erzeugniß eines geistigen, klaren, scharf denkenden
Volkes, längst das verfeinerte Organ einer hohen, sonst nirgend zu fin¬
denden Wissenschaft, hatte mit einem seltenen Reichthume eine noch sel¬
tenere Bestimmtheit vereinigt und befähigte dadurch einen großen Theil
der Menschheit zur Aufnahme und Aneignung der christlichen Lehre.