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für sich, mit vielem Eigenwillen versehen, und zwar nicht bloß mit
dem Eigenwillen eines Pedanten. Die Sprache ist pedantischer
und noch träger, als der Mensch, höchst eintönig und unmusika¬
lisch, der einförmigen Tiefebene entsprechend.
Um der Einförmigkeit seines Landes gleichsam zu entgehen,
hat sich der Mensch hier mit einem solchen Schmuck des Lebens
umgeben müssen. Die übertriebene Reinlichkeit und Sauberkeit,
die uns andern Deutschen oft peinlich wird; Blumenliebe und
Blumenpflege noch mehr als bei den belgischen Nachbarn, sie ist
eine holländische Leidenschaft — eben so die Farbensreude; daher
hat hier die Malerei fröhliche Zeiten gehabt. In diesem Lande
der Sümpfe und Heiden und Marschen, wo nur um die Dörfer
und Kanäle einzelne Baumreihen sich erheben, und der Mensch
hinter seinen Deichen und Wällen den Pflug und die Sense rührt,
hier, wo die Nähe des Meeres und die fast immer nasse Erde
eine feuchte matte Luft und einen umnebelten Himmel zeugt;
hier, wo Torf- und Moorboden und Steinkohlenstaub Alles in
Schmutz verkommen lassen würden, wenn der Mensch sich nicht
dagegen wehrte: hier mußte er sich in der Freude am Netten,
Heitern und Bunten eine fröhliche Gegenwehr gegen das Graue
und Trübe bereiten. Man muß dies um so höher anschlagen, je
mehr man Schmutzlande sieht, die ihre Bewohner ruhig Schmutz¬
lande bleiben lassen.
Also der stille Seelöwe, der fest und ruhig waltet, der unter
einem ruhigen, wie mit einem dämmernden Schlummer übergos¬
senen Aeußern einen trotzigen Muth und eine tiefe Leidenschaft
verbirgt, das ist der Holländer! Denn rühr' ihn nur an, wo
sein Leben sitzt, und wo er dies Leben bedroht fühlt, und du
wirst sehen, mit welchen Zornflammen er auflodert, und wie der
geweckte Aufruhr seiner Natur Alles um sich her niederwerfen
will. Erinnere dich der Geschichten von Alba's Tagen, oder als
die Oldenbarneveld und de Witte als Opfer fielen, durchblättere
die Geschichten von Brügge, Gent, Antwerpen, Dortrecht, Leyden
u. s. w. — durch das ganze Mittelalter, und du wirst an der
Küste dieser Seelande immer noch ähnliche Erscheinungen finden.
Ungestüm und unbändig, wenn dieser friesische Mann seine Art
und seine Freiheit in Gefahr glaubt, fest und still in den ge¬
wöhnlichen Zuständen des Lebens.
Wie gesagt, er hat das Gefühl, — und wer wagt es ihm
zu bestreiten? — daß dieses Land im eigensten Sinne sein Land
ist, daß er es sich geschaffen hat. Er hat im Kampf und in
der Arbeit seiner Schöpfung Alles, was Verstand, Muth und
Besonnenheit heißt, zusammennehmen müssen; Zucht, Ordnung,
Klarheit des Urtheils, Nüchternheit der Ueberlegung sind auf
solche Weise sein Wesen geworden, darum haßt er alles Ver-