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keine Münzen, ja nicht einmal ordentliche Wohnungen und Kleider.
Sie wohnten in Höhlen und Hütten, die sie aus Baumstämmen er¬
bauten und mit Rasenstücken oder Thierfellen bedeckten. Die Häute
von Thieren, die sie auf der Jagd erlegt hatten, dienten ihnen als
Kleider und zur Nachtzeit als Betten. Sie scheuten die Arbeit und
lagen oft ganze Tage aus ihrer Bärenhaut in ihren Hütten, woher
es auch kommt, daß man jetzt noch einen faulen Menschen einen
Bärenhäuter nennt.
Die angenehmste Beschäftigung war für sie die Jagd; auch
liebten sie das Spiel so sehr, daß Mancher all' seine Habe, seine
Waffen, seine Kinder, ja sogar seine eigene Freiheit verspielte und
dem Gewinnenden willig als Sklave folgte. Auch die Liebe zum
Trünke war ein Hauptfehler unserer Vorväter. Man bereitete näm¬
lich schon damals aus Gerste ein dem Bier ähnliches Getränke, mit
welchem sie sich öfters berauschten. — Bei diesen Fehlern besaßen
die alten Deutschen aber auch eben so große Tugenden. Ihre Auf¬
richtigkeit, Redlichkeit und Treue dürften uns jetzt noch zum
nachahmungswürdigen Muster dienen. Nie brach der deutsche Mann
sein Wort; es wurde treuer gehalten, als jetzt manchmal der hei¬
ligste Eid. Die Tapferkeit unserer Väter, bei ihrer körperlichen
Größe und Stärke, machte sie gefürchtet und berühmt bei allen um¬
wohnenden Völkern.
«schon im Jahre 113 v. Chr. wollten mehrere germanische
Volksstämme in das römische Gebiet eindringen, um ihre rauhe und
kalte Heimat mit wärmeren und gesegneteren Gegenden zu vertau¬
schen. Die Römer geriethen in Schrecken über das Aussehen und
die Tapferkeit dieser Barbaren, wie sie die Germanen nannten.
Fünf gegen sie gesandte römische Heere wurden geschlagen und un¬
aufhaltsam drangen die Deutschen vorwärts. Da rettete Marius,
ein rauher, kriegerischer Mann, das Vaterland. Er schlug die Teu¬
tonen bei Aquä Sextiä (jetzt Aip in Südfrankreich) und ein Jahr
später die Cimbern in der Gegend von Verona, und Rom war
von der drohenden Gefahr wieder befreit.
Dies sind die ältesten Nachrichten, die wir über das deutsche
Volk besitzen. Als Cäsar Gallien unterworfen hatte, gieng er selbst
zwei Mal über den Rhein, um Gallien gegen die Einfälle der ge¬
fährlichen Nachbarn zu schützen. Er schätzte die Deutschen wegen
ihrer Treue und Tapferkeit und nahm Viele von ihnen gegen die
Gallier und nachher gegen andere Feinde Noms in Sold. Als aber
Augustus die Herrschaft über die Römer erlangt hatte, ließ er Fe¬
stungen am Rhein anlegen, und Drusus, sein Stiefsohn, machte
bedeutende Eroberungen im Westen und Norden Deutschlands. Nach
ihm führte Tiberius zwei Jahre lang den Oberbefehl über das
römische Heer in Deutschland. Er suchte die Deutschen mehr durch