231 
Letzte Lebensperi ode König Ludwigs XV. 
Wir kehren zu den Staatsangelegenheiten unter Ludwig XV. 
zurück. Ehe der Herzog von Ehoiseul siel, hatte er, wie schon 
erwähnt, noch daS Vergnügen, die durch ihn bewirkte Heirath 
des Dauphin vollzogen zu sehen. Er erhielt vom Könige die 
Erlaubniß, der Prinzessin bis Compicgnc entgegen zu gehen 
und ihr zuerst seine Ehrfurcht zu beweisen. Er ward von dersel¬ 
ben mit vieler Herzlichkeit ausgenommen und erhielt von ihr die 
bündigsten Freundschaftsversicherungen. — So groß auch die 
Noth des Königreichs war, so ward doch an den gewöhnlichen 
Lustbarkeiten nichts gespart; ja, man trieb die Ausgaben dafür 
bis zur Verschwendung. Viele tausend Pferde wurden für den 
Weg bis Straßburg bestellt, sechzig neue prächtige Kutschen 
verfertigt, und eine Anzahl Tapezierer ritt immer voraus, die 
Zimmer auszuschmücken, wo cs der Prinzessin gefallen würde, 
cinzukehren. Die Kleider des Königs und der königlichen Familie 
strotzten von Gold und Juwelen, und ein einziges Bouquet im 
Feuerwerke kostete 4000 Louisd'or. Der König, dem man die 
Erzherzogin als sehr schön beschrieben hatte, konnte es kaum 
erwarten, sie zu sehen; er empfing sie in Compicgne und schenkte 
ihrer Figur seinen ganzen Beifall. Am nächsten Tage speiste 
man auf dem Lustschloffe la Muctte, wo die Prinzessin den Abend 
blieb, wahrend die königliche Familie nach Versailles zurückging, 
weil dem Gebrauche nach die Braut vor der Trauung mit dem 
Bräutigam nicht unter einem Dache schlafen durfte. Schon auf 
diesem Lustschlosie stellte Ludwig die Gräfin Dubarry der Prin- 
zessin vor und ließ sie mit derselben speisen. Nach der Tafel 
fragte sie der König, wie sie die Gräfin fände, und sic antwor¬ 
tete: allerliebst; was Ludwig gern für einen Beweis ihres guten 
Geschmacks ansah. Ucbrigcns konnte die Prinzessin dieses Lob 
ohne vielen Zwang geben; denn die Dubarry war ausgezeichnet 
schön, ohne alle Ziererei, sie hatte sich den Hofton eigen gemacht, 
verstand mit Grazie zu persifiiren und war in ihrem öffentlichen 
Betragen sehr verschämt uird sittsam. 
Am folgenden Tage ward die Dauphine in der Kapelle von 
Versailles getraut. Die Franzosen wunderten sich damals unge¬ 
mein, daß eine deutsche Prinzessin bei dem Anblicke so vieler
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.