192 Die Entdeckung der Eigenschaft des Magnets.
gänzlich neutralisiren würden, so würde der andere dennoch hinreichend
seyn, den Magnet in seiner gewöhnlichen Richtungen erhalten.
Nm die Natur dieser Anziehungskraft klar auseinander zn setzen,
müssen wir uns auf einige wenige Thatsachen beziehen, welche insbesondere
künstliche Magnete betreffen.
Die magnetische Kraft wurde zuerst an einem gewissen Eisenerz beob¬
achtet. Dieses magnetische Eisenerz scheint schon sehr frühe bekannt ge¬
wesen zu seyn. Wie es aber zur allgemeinen Kenntniß gelangte oder
wem man die Entdeckung verdankt, darüber lassen sich nur Vermuthungen
aufstellen, und die Mythe ninimt hier, wie in vielen andern Beispielen, die
Stelle der Wahrheit ein. Die Chinesen machen Anspruch auf das Ver¬
dienst dieser Entdeckung; andererseits verführen uns die Griechen zur Be¬
günstigung ihrer Ansprüche, indem sie die Phantasie durch eine schöne
Fabel reizen. Sie sagen, der Magnet sey von Magnes, einem Schäfer
auf dem Berge Jda, entdeckt worden, indem derselbe ein Stück davon an
dem Eisen seines Hirtenstabs hängen gefunden habe. Diesem Untstande
soll das Erz auch seinen Namen verdanken. Auch die Hindu's machen
Ansprüche auf diese Ehre, und unterstützen ihr Recht mit Gründen, welche
eben so möglich oder wahrscheinlich sind, wie die von andern Nationen
beigebrachten. Der Einstuß des Magnets auf eisenhaltige Körper war
wahrscheinlich lange vorher bekannt, ehe seine Polarität entdeckt wurde,
die für uns die wichtigste Eigenschaft desselben ist. Man nimmt im All¬
gemeine» an, daß dem Johann von Giova, einem Neapolitaner, die Ehre
der Entdeckung gebühre, vr. Gilpert und Andere behaupten jedoch, der
Compaß sey im Jahr 1260 von Paul Venetuö aus China nach Italien
gebracht worden.
Es ist nicht zu verwundern, daß eine solche Meinungsverschiedenheit
in Betreff eines Gegenstandes obwaltet, über den kein authentisches Zeug¬
niß angeführt werden kann. Der magnetische Grundsatz der Direction
kann in Asien, Afrika oder Europa entdeckt worden seyn, denn verschiedene
Nationen niacheu auf die Ehre Anspruch und eine jede hat unter den
neueren Schriftstellern einen Vertheidiger gefunden. Die Europäer waren
eben so sehr bemüht, ein Recht zu dieser Entdeckung aufzufinden, wie an¬
dere Nationen, und ihr Eifer wurde wahrscheinlich noch dadurch verniehrt,
daß sie sich bewußt waren, lange Zeit ein Monopol intellektueller Ueber-
macht besessen zu haben. Ein berühmter Schriftsteller über Magnetismus
hat die richtige Bemerkung gemacht, daß, wenn diese Entdeckung den
Europäern zugeschrieben werden dürfe, die Norweger wohl den besten
Anspruch darauf hätten, nicht nur weil der Charakter ihrer früheren Un¬
ternehmungen darauf hindeute, sondern auch weil es sehr wahrscheinlich sey,