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Fünftes Kap. Die Zeiten Philipp's II. u. III.
Philipp trozcn? Hatte Ferdinand, sein Oheim, der teutsche Kaiser,
und welchem nebst den teutsch-östreichischen Erblanden auch Ungarn und
Böhmen gehorchten, das Gewicht seiner Macht noch in die Schale Spa¬
niens gelegt, so war Europa verloren. Doch auch getrennt von Ferdinand,
weil Dieser wenigstens nicht Feind war, blieb Philipp's Präpondcranz cnt-
schieden; ja er vermochte Europa's Herr zu werden, wenn er es verstand.
§. 2. Philipp der Zweite.
Auch wünschte er dieser Herr zu seyn, und strebte zwei und vierzig Jahre
lang und unverwandten Blickes, uncrmüdet, eifrigst, mit Gewalt und List,
keine Opfer und keine Verbrechen scheuend, nach so hohem Ziele; und als er
starb — war Spanien erniedrigt, ermattet und verarmt, der Herr der Schäze
von Ost- und Westindien erdrückt durch eineSchuldculast von 110 Millionen
Dukaten, Er Selbst mehr verachtet, als einst gefürchtet, Holland frei,
Frankreich und England stark und Angriff drohend, das spanische Volk
versenkt in Kncchtsinn und Geistcsschlummer, ohne Energie, ohne Kraft zu
großer That, die Monarchie unaufhaltbar forteilend zum Verfall.
Kein imposanteres Bild in der Weltgeschichte! — Hier Wilhelm und
Moriz von Oranien, Elisabeth und Heinrich IV., ihre schwachen von
innen und von außen hart bedrohten, zum Theil am Rand des Verderbens
stehenden Völker glorreich durch Muth und Weisheit, vor Allein durch Frei¬
st eit sa eh tun g, rettend und erhebend, Gründer des hoffnungsreichsten, kräf¬
tigst emporstrebenden Lebens verloren geachteter Staaten; dort der weitge-
bictcnde Philipp, durch D e sp o t e n d r u ck und Lichtsch e u c seine angeerbte
Größe in Trünimcr verwandelnd, das mächtigste, herrlichste Reich unheilbar
verderbend, zum Preis der Lebensmühe Haß und Verachtung dahin nehmend,
der Fluch der Völker, die er sein nannte, der Abscheu und bald der Spott
derjenigen, welche zu unterjochen ihm leicht gedünket, ein warnendes Beispiel
für alle Folgezeit! —
Philipp war nicht talentlos und vielleicht nicht natürlich böse ; nur der
Aberglaube verdüsterte seinen Geist, und die durch's Glück genährte Herrsch¬
sucht sein Gemüth. Diese unseligste aller Leidenschaften, die bei ihm unter
dem Deckmantel der Frömmigkeit — als ob nur den Triumph der allein selig-
machendcu Religion begehrend —■ ihre Befriedigung mit desto größerer Zuver¬
sicht suchte, tilgte allmälig in dcS Königs Herz jedes menschliche Gefühl, und
v. Retteck. alljjcm. Geschichte. VII. il