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schwimmende, Unbestimmte, Uebertriebene in Gefühlen und Ge¬
danken, und schilt es gern deutsche Krausköpfigkeit, deutsche
Schwärmerei. In seinen Gesetzen, wie in seiner Religion ist er
daher gern auf dem Wege der Klarheit geblieben. Der Genfer
Calvinismus war der einfachen klaren Form seiner Verfassung
angemessen, darum nahm er ihn an, als übereinstimmend mir
dem Demokratischen seines Charakters. Der strenge trockene hol¬
ländische Calvinismus steht offenbar in einer gewissen Aehnlichkeit
mit dem englischen Protestanlismus, nur daß die englische Hoch¬
kirche das monarchische ritterliche Element des Glanzes und der
Pracht, gleichsam eine Darstellung der äußerlichen Herrschaft der
Kirche, die dort besteht, beibehalten hat. Denn in dem ganzen
englischen Volke, wie demokratisch wunderlich sich auch der Ein¬
zelne geberden mag, herrscht doch ein adeliger aristokratischer Sinn
vor. Es ist diese Aehnlicbkeit und dieser Unterschied gleichsam
das unterscheidende Bild der beiden Völker. Beide haben den
Sinn und das Streben des Klaren, Festen und Bestimmten im
Leben und in der Verfassung; beide fragen bei Allem, auch bei
dem Höchsten: was nützt es? wie steht und besieht es aus der
Erde? Sie fliegen mit dem Deutschen nicht gern so hoch, daß
ihnen der Boden unter den Füßen schwindet. Sie sind auch im
religiösen Leben mehr auf ein Feststehendes, aus die Orthodoxie
hingewiesen. Darum kommt der Holländer als ein mehr trockener
und klarer Mensch auch mehr mit dem Engländer überein, als
mit dem Deutschen.
Joseph Freiherr von Cichendorff,
geb. den 10. März 1788 zu Lubowitz bei Ratibor, studirte in Halle und Hei¬
delberg die Rechte, zog 1813 als Freiwilliger mit nach Frankreich, trat dann
in den Staatsdienst, wirkte als Rcgierungsrath in Danzig, Königsberg, seit
1830 als Geh. Regierungsrath in Berlin, zog sich dann ins Privatleben zu¬
rück und starb 1857 in Neiße. — Ein namhafter Vertreter der weichen Ge¬
fühlslyrik der Romantiker. Lieder (Der frohe Wandersmann. V. 122. Der
Wächter. V. 123. Morgengebet. Mondnacht. Auf meines Kindes Tod.); N o -
vellen (Aus dem Leben eines Taugenichts.); Romane; Dramatisches.
Adalbert von Chamisso,
geb. den 27. Jan. 1781 auf dem Schlosse Boncourt in der Champagne, mußte
schon 1790 das Vaterland verlassen, da die Revolution den französischen Adel
zur Auswanderung zwang, kam 1795 nach Preußen, wurde 1796 als Edel¬
knabe der Gemahlin Friedrich Wilhelm's II. aufgenommen, trat 1798 in preuß.
Kriegsdienste, war >810 — 1812 bei der Frau von Staöl in Coppet, studirte
von 1812 an in Berlin Naturwissenschaften, machte 1815 —18 >8 mit dem
russischen Capnain v. Krufenstern eine Entdeckungsreise um die Erde, lebte
Lüben und Nacke, Lesebuch. VI. 17