315
in das Haus, um die Goldwage zu holen, und konnte vorher¬
sehen, daß Ihr Euch unterdessen besonnen haben würdet."
Der Alte, welcher in seinen Bewegungen bald etwas unge¬
mein Rasches, bald wieder die größte Bedächtigkeit zeigte, je nach¬
dem das Geschäft war, was er trieb, setzte sich an den Tisch,
wischte langsam und sorgfältig seine Brille ab^ spannte sie über
die Nase und fing an, die Goldstücke genau zu wägen. Zwei
oder drei musterte er als zu leicht aus, worüber der Pferdehändler
ein heftiges Gezeter erhob, welchem der Hofschulze schweigend und
kaltblütig, die Wage in der Hand behaltend, zuhörte, bis der
Andere statt der verworfenen Münzen vollwichtige hervorholte.
Endlich war die Sache beendigt, der Verkäufer packte bedächtig
das Geld in ein Papier und ging mit dem Pferdehändler nach
dem Stalle, um ihm das Pferd zu überliefern.
Der Receptor wartete die Rückkunft der Beiden nicht ab.
„Mit solchem Klotz ist nichts anzufangen," sagte er; „aber wenn
du uns nur nicht so ordentlich auf die Termine bezahltest, wir
wollten dich!" — Er fühlte nach seinen urkundlichen Papieren
in der Tasche, merkte an dem Knittern, daß sie noch darin seien,
und schlich vom Hofe.
Aus dem Stalle traten der Roßkamm, der Schulze und ein
Knecht, welcher zwei Pferde, das des Roßkammeö und die erkaufte
braune Stute, hinter sich herführte. Der alte Schulze sagte, in¬
dem er die Letztere zum Abschied streichelte: „Es thut Einem
immer Leid, wenn man eine Kreatur, die man aufzog, losschlägt,
aber wer kann dawider? — Nun, halte dich brav, Bräunchen!"
rief er, und gab dem Thiere einen herzhaften Schlag auf die
runden glänzenden Schenkel.
Der Pferdehändler war mittlerweile aufgestiegen und sah mit
seiner langen Figur und der kurzen Schoßjacke und dem breit-
krämpigen, lackirten Hute, mit seinen erbsengelben Hosen über den
dürren Lenden und den hochhinaufreichenden, ledernen Gamaschen,
mit seinen Pfundsporen und seiner Peitsche wie ein Wegelagerer
aus. Er ritt, ohne Lebewohl zu sagen, fluchend und wetternd
davon, die Braune am Leitzaum nachziehend. Keinen Blick wandte
er nach dem Gehöfte zurück; die Braune dahingegen drehte meh¬
rere Male den Hals um und wieherte wehmüthig, als wollte sie
klagen, daß ihre gute Zeit nun vorüber sei. Der Hofschulze blieb,
die Arme in die Seite gestemmt, mit dem Knechte stehen, bis der
Zug durch den Baumgarten verschwunden war. Dann sagte der
Knecht: „das Vieh grämt sich." „Warum sollte es nicht?" er¬
wiederte der Hofschulze, „grämen wir uns doch auch. Komm auf
den Futterboden, wir wollen Hafer messen."