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es nicht sein können, wie man es sein muß. Sie verkennen den wahren
Charakter einer liebenswürdigen Naivetät, und fallen so mit der beliebten
Natürlichkeit in's Gemeine, Platte, was sie verunziert.
Ebenso folgendes (aus Rosaliens Vermächtniß von Glatz,
gest. 1831 als Consistorialrath in Preßburg):
S a n f t m u t h.
Dem Manne gab die Natur Kraft, Muth und Stärke. Er hat in der
Außenwelt oft viel zu kämpfen, um das Ziel zu erreichen, das er sich vor¬
gesteckt hat. Seine Geschäfte erfordern nicht selten Anstrengung und festen
unerschütterlichen Sinn, seine Pflichten für Gott und Vaterland schwere Auf¬
opferungen, Selbstverleugnung, heroischen Geist. Dem Manne von eisernem
Sinn und fester Entschlossenheit gebührt Ehre, und wir werden ihm manche
Härte und Sprödigkeit in seinem Charakter leicht verzeihen. Er ist bestimmt,
durch Männlichkeit und herrischen Muth zu gebieten.
So nicht das Weib. Nicht mit Unrecht heißt unser Geschlecht das
schwächere. Feiner und Zarter sind seine Nerven, subtiler sein ganzer Körper¬
bau. Auf andern Wegen und durch andre Mittel soll ein weibliches Wesen
zur Herrschaft gelangen, als der Mann: durch lieblichen, freundlichen Sinn
und weibliche Sanstmuth soll es für sich gewinnen und die Herzen der Män¬
ner regieren.
Das Weib, das auf eine andere Weise sich bemerkbar machen will,
weicht offenbar von dem Wege ab, den ihm die Natur selbst angewiesen hat.
Es giebt so manche unsers Geschlechts, die mit aller Absicht sich dem Männ¬
lichen nähern, durch ein gleichsam heroisches Wesen sich auszuzeichnen, und
durch ein ungeschmeidiges, herrisches Benehmen den Ruf eines großen, hohen
Geistes zu erwerben wünschen. Amazonen dieser Art haben nie ihr Glück
gemacht. Weder Weib, noch Mann, schwankten sie unaufhörlich als Mittel¬
ding umher, ungeachtet, ungeliebt, und sehr oft ein Gegenstand des Spottes
und harten Tadels. Aber so rächt sich die beleidigte Natur!
Nie wirst du es vergessen, theure Amanda, daß weibliche Wesen auf
Erden schöne Milde, fromme Geduld, freundliche Nachgiebigkeit und Sanft¬
heit der Sitten darzustellen bestimmt sind. Dies ist ihr schöner Beruf, dies
das Element, in welchem sie leben und freudig wirken sollen. Er sei auch
dir stets gegenwärtig und heilig, dieser Beruf! Harte, ungefällige Sitten
meide mit aller Sorgfalt. Ungefügigkeit und spröde Unbiegsamkeit macht bei
dem Weibe immer einen widerlichen Eindruck. Dich ziere immerfort ein
weibliches, fünftes Wesen. Fahre Niemanden mit harter Rede an, sondern
gewinne für dich durch milde, liebreiche Worte. Gerathe nie in tobende Lei¬
denschaft, sondern behaupte allezeit einen rein-milden Sinn. Vertheidige dich
nie mit ungestümer Heftigkeit, sondern mit edler, sanfter Wärme. In deinem
ganzen Wesen und Benehmen offenbare sich der Geist weiblicher Sanstmuth.
Dies ist der Natur gemäß, und du wirst dadurch nicht nur selbst das meiste
gewinnen, sondern auch Andre beglücken, und die Freuden des Lebens ver¬
mehren, wozu du gerade bestimmt bist.