Full text: Lebensvoller Unterricht auf der Unterstufe unserer deutschen Lern- und Arbeitsschule

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dem Eros einer Versammlung vertretenen stracks zuwiderläuft. (Siehe_ 
doch ich will keine Orte nennen!) Zum Glück gibt's auch noch Besonnene und 
zwar nicht wenig, die prüfen, ehe sie abfällig urteilen, die erproben, ehe sie 
Vivat oder Pereat rufen, die sich in eine neue Sache gründlich vertiefen, ' 
und nicht vorurteilsvoll (und selbsturieilslos!) von vornherein mit ihrem, abeo 
nur anscheinend ihrem Urteil fertig sind! 
An s i e denke ich in erster Linie, wenn ich auf den nachstehenden Seilen 
in das Wesen der Unterstufe der deutschen Schule einige Einblicke zu geben 
versuche. Daß das Verlangen nach praktischer Aufklärung vor¬ 
handen ist, kann wohl kaum noch jemand bestreiten. Und wenn ich auf meinen 
Streifzügen bin und hier in meinem engeren und weiteren Vaterlande die 
Bekanntschaft manches lieben Kollegen machte, so merkte ich's gar bald, wo's 
fehlt: Es ist noch eine Unmenge von ganz schiefen Urteilen und Ansichten über 
unsere Fortschrittsbestrebungen vorhanden, ja, noch immer! Es fehlt an päda¬ 
gogischer Kleinarbeit. Das will nicht sagen: an Musterlek- 
tionen! Vor denen bewahre uns der Himmel, und wenn jemals ein 
Kollege einen meiner Entwürfe, eine meiner Skizzen, eine meiner sehr oft 
ziemlich ausführlich gegebenen Lektionen da oder dort in der deutschen Lehrer¬ 
presse oder auch in meinen Büchern für eine „Musterlektion" gehalten haben 
sollte, tut er mir unrecht; ich habe immer und immer wieder nur das betont: 
So kann man's auch machen! 
Aber wenn ich ins Gespräch kam, mit Jung oder Alt aus unserem Stande, 
über unsere Arbeitsschulsache, gar bald merkte ich, „wo ihn der Schuh drückt". 
Das ist kein Selbstlob, das ich mir hier ausstelle; das ist kein Tadel, den 
ich hier gegen einen Kollegen ausspreche — nein, das ist nur die Feststellung 
der Tatsache, daß eben jeder erst in eine Sache gehörig „eingeweiht" sein must, 
ehe er sodann auch Lust dazu bekommt, ehe er ihr Anhänger wird und ehe 
er sodann freudig mittut. 
Ich werde darum, solange mir mein Herrgott meine Arbeitskraft und 
Freudigkeit schenkt, nicht müde, hier das Meine ehrlich beizutragen zum Fort¬ 
kommen einer Sache, die ich für unsere Jugend, für unser Volk als segens¬ 
reich halte. Unbekümmert darum, ob man mich darob lobt oder tadelt, ob 
man mich in den Himmel erhebt oder zu allen Teufeln hinabwünscht — 
Alles schon dagewesen! — ziehe ich meine Straße. Und danke Gott, daß neben 
mancher trüben Erfahrung auch mancher Lichtblick einem geschenkt ist aus dieser 
Fahrt! — 
Gerade denke ich an zwei Buben, die ich auf meinen Reisen durch deutsche 
Arbeitsschulen kennen lernte und die ich nimmer in meinem Leben vergesse. 
Beide im letzten Schuljahre, nein, der eine, droben in Norddeutschland, schon 
der Schule entwachsen und doch freiwillig noch ein halbes Jahr 
Schuljunge — wer lacht da?! Der andre drunten in einer süddeutschen 
Residenzstadt, ein Bursche, der früher im sittlichen Verhalten „Note" auf 
„Note" bekam und dann in der „Arbeitsschule" der Brav st en e^iner 
wurde — wer lacht d a?! Droben ein fast baumlanger preußischer Junge,
	        
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