Papst Pius IX. 
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die Erklärungen Napoleons selbst, welcher nach seiner Rückkehr nach 
Paris (17. Juli) unumwunden bekannte: nur durch das Vor¬ 
gehen Preußens sei er zum Frieden gezwungen worden, weil er 
nicht zugleich am Rhein und am Po habe fechten können. 
Aber der Friedensschluß war noch nicht der Frieden und 
am wenigsten war man.in Italien selbst damit zufrieden. Man 
ließ gegen den Kaiser Napoleon die heftigsten Vorwürfe laut 
werden, daß er seiner Verheißung: „Italien frei bis zur 
Adria" — nicht Wort gehalten und Cavour nahm, gewiß nur 
zum Schein — um sich populär zu erhalten, seine Entlassung. 
Auch Garibaldi trat aus dem sardinischen Dienst, um auf 
eigene Faust an der Revolutioniruug Mittelitaliens zu arbeiten, 
wobei es hauptsächlich auf den Kirchenstaat abgesehen war, da 
die Herzogthümer ihren legitimen Herrschern schon so gut als 
verloren waren. 
Der Papst war eben so sehr ein Gefangener als ein Schütz¬ 
ling der französischen Besatzung und die Vorspiegelungen, durch 
welche man ihn verlocken wollte, die Rechte der Kirche Preis zu 
geben, waren schlau genug berechnet, um auf einen minder festen 
Charakter Eindruck zu machen. Man machte ihm den Krieg durch 
Flugschriften (Laguerronisre), da die amtliche Sprache nicht alle 
Rücksichten der Ehre und alle Gebote des Rechts aus den Augen 
setzen konnte: Pius IX. aber blieb unerschütterlich. — Auf 
das Pamphlet Laguerroniere's, welcher von ihm verlangte, daß er 
durch Abtretung der Legationen sich die Sicherheit des übrigen 
Besitzes erkaufen sollte, erklärte er bem General Goyon: „Die 
Revolution in der Romagna sei von Sardinien und Frankreich 
angezettelt. Wenn Napoleon von ihm die Abtretung einiger Pro¬ 
vinzen verlange, um die Revolution zu ersticken, so sei die Frage, 
wie viel Provinzen wohl Frankreich abzutreten haben würde, da 
in Frankreich die Revolution gar nicht aufhörte." 
In einer Encyklika an alle Bischöfe aber erklärte der Papst, 
daß er die Legationen nicht abtreten und auf die weltliche Herr¬ 
schaft nicht verzichten könne, weil sie nicht sein Eigenthum, son¬ 
dern das der Kirche seien! Aber, obwohl leicht genug erkannt wer¬ 
den konnte, daß Frankreichs Absehen nur darauf gerichtet war, 
das Oberhaupt der katholischen Kirche zu einem Instrumente der 
französischen Politik und den Cäsaropapismus zu einer Wahrheit 
zu machen, so überließ man trotzdem Pius IX. sich selbst. Mit 
Recht bediente er sich jetzt seiner geistlichen Waffen, und als
	        
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