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I. Abschnitt.
dass sich die Meridiane und Parallelkreise rechtwinklig durchschneiden.
Auf Grund phönizischer Charten erhielten Asien und Afrika nach Osten
hin viel zu große Dimensionen und zwischen beiden Welttheilcn bilde c
ein großes Südland das Vermittelungsglied; dagegen wurden die nörd¬
lichen Küsten von Europa viel genauer bestimmt.
8. 10. Die historisch-politische Geographie hat in dieser Periode
das Schauipiel eines sich bildenden Weltreiches, das nie seines Gleichen
gehabt hat und nie mehr haben wird. Ueber fast alle bisher in der
Geschichte genannten Länder streckte allmählich Rom sein eisernes Scepter
und Jahrhunderte lang verlor es nicht eine Provinz. Nur das Land der
Germanen und das Reich der Parther erwehren sich gleicher Unter¬
drückung, während Aethiopien, Arabien, Indien, China und Scythien
vor der römischen Ländergier entweder durch die Schrecken der Natur
oder durch die allzugroße Entfernung bewahrt blieben. Ueber die Ent¬
deckungsreisen der Römer s. 8. 12.
8. 11. Die vierte und letzte Periode beginnt mit Claudius
Ptolemäus (161 n. Chr.) aus Hermii in Aegypten. Vor ihm ist
noch der Alexandriner Sosigenes zu erwähnen, welcher den in die
größte Unordnung gerathenen Kalender verbesserte, der noch heute als
julianischer Kalender in Russland im Gebrauche ist. Ptolemäus ist
der zweite große Astronoin des Alterthums. Sein astronomisches Haupt¬
werk: MeyuXrj avvra^ig in 13 Büchern verschaffte ihm den Beinamen
o fxeyaq davqovöfjioq. Die Araber besaßen bereits 827 die Uebcr-
setzung davon unter dem Titel: Tabrir al magesthi (daher Almagest
von al und tusyiarog). Das von ihm aufgestellte Planetensystem, wel¬
ches ihn keineswegs befriedigte, galt in stockblinder Nachbeterei für ein
astronomisches Evangelium gegen anderthalb Jahrtausend hindurch.
„Sollen wir," sagt ein geistreicher Schriftsteller, „ein Bild des traurigen
und trostlosen Verfalles entwerfen, der die auf Ptolemäus folgenden
Jahrhunderte bezeichnet? Erzählen, wie die Erde wieder flach wird,
wie ein Wasser die Weltare befeuchtet, damit sie nicht in Brand gerathe
durch die Umdrehung, wie die Sonne allen Völkern gleichzeitig auf¬
geht rc. ?" In der Geographie, die übrigens durch ihn ihren Höhen¬
punkt erreicht, steht er unmittelbar auf den Schultern des Marinus,
dessen systematisches Lehrgebäude er nur erweitert oder verbesiert hat.
Seine 8 Bücher der yscoyQuynxij inp^yTjaig unterlcheiden sich von den
lebensvollen populären Schilderungen Strabo's durch vorherrschende geo¬
metrische Begründung und trockene Aufzählung von Namen und Zahlen;
gleichwohl haben sich dieselben bis ins 15. und 16. Jahrh. als geogra¬
phische Hauptlehrbücher behauptet, neben welchen etwa noch die Schrif¬
ten des arabischen Gelehrteit Edrisi in Betracht kamen. Auf 26 von
Agathodämon gezeichneten Charten bestimmt Ptolemäus die Gren¬
zen der Länder, die Gebirgszüge, Inseln, Ortslagen nach Langen - und
Breitengraden, wobei er, auf eine richtigere Projection fußend, den