Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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45. Zärtlichkeit eines Bären für seine Jungen. 
Die Mannschaft eines Schiffes hatte einmal an den Küsten des 
Eismeers einen Seehund getödtet. Ein Theil davon wurde ins Feuer 
geworfen. Der Geruch von dem Speck lockte drei weisse Bären 
herbei. Es war eine Mutter mit ihren zwei schon ziemlich erwach¬ 
senen Jungen. Sie ging herzhaft an das Feuer, holte mit ihren Tatzen 
ein Stück Fleisch heraus, zerriss es in Stücke und legte jedem ihrer 
Jungen einen Theil davon vor; den kleinsten aber behielt sie für sich. 
Die Leute im Schiff sahen zu und warfen ihnen noch ein Stück 
Fleisch vor, das die Mutter wie das erstemal theilte. Während die 
Jungen ihren Antheil empfingen, hatten einige der Mannschaft ihre 
Flinten herbeigeholt; sie legten auf die Bären an und erschossen die 
zwei Junten. Auch die Bärin wurde getroffen; die Kugel drang aber 
nicht tief genug ein. Das Wimmern ihrer sterbenden Jungen rief die 
Bärin, die sich schon auf die Flucht begeben hatte, zurück. Sie 
schleppte sich zu ihnen hin, beroch sie, leckte ihre Wunden, legte 
ihnen ein Stück Fleisch vor und suchte sie zum Fressen zu bewe¬ 
gen. Umsonst; sie regten sich nicht mehr. Da legte sie nun ihre 
Tatze winselnd zuerst auf das eine, dann auf das andere, und wollte 
ihnen aufhelfen. Alles war vergeblich. 
Nun fing sie an, erbärmlich zu heulen, drehte sich herum, ging 
von ihnen ein wenig weg und sah zurück, ob sie ihi nicht folgen 
würden, kehrte sich wieder um, beroch sie, leckte an ihren eigenen 
Wunden, kroch wieder eine Strecke fort und kam zurück, blieb bei 
ihnen stehen und heulte kläglich. Voll Jammer und Zärtlichkeit 
schlich sie um dieselben herum, beschnupperte und betastete si^^da 
sie sich aber durchaus nicht mehr regen wollten und kein Lebens¬ 
zeichen von sich gaben , hub sie ihren Kopf nach dem Schiffe zu 
und brummte voll Wuth und Verzweiflung, sank aber, von weiteren 
Flintenschüssen getroffen, bald zwischen ihren Jungen nieder und 
starb, indem sie deren Wunden leckte. 
46. Jas NeH, 
welches kaum die Größe und Schwere einer Ziege erreicht und manche 
Aehnlichkeit mit derselben besitzt, ist eines der niedlichsten Säugethiere 
in Europa. Seine großen, Hellen Augen, seine schlanken Beine, der 
aufwärts getragene Hals, seine röthlich braune Farbe geben ihm schon 
ein gutes Aussehen, welches bei dem Bocke noch durch das zwar
	        
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