25 Händen und Füßen aus dem Bett zum Ofen. Glücklich findet sie
noch einen Brand, schleudert ihn in das Stroh ihres Bettes und eilt,
so schnell sie kann, hinaus, sich in Sicherheit zu bringen.
Das Häuschen stand nun augenblicklich in Flammen, und wie der
Feuerschein vom Eise aus gesehen ward, stürzte alles in wilder Hast dem
30 Strande zu. Schon sprang der Wind auf und fegte den Staub ans dem
Eise vor ihnen her. Der Himmel ward dunkel, das Eis fing an zu
knarren und zu schwanken, der Wind wuchs zum Sturm, und als eben
die letzten den Fuß aufs feste Land setzten, brach die Decke, und die Flut
wogte an den Strand.
35 So rettete die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab und
Gut daran zu deren Heil und Rettung. Karl MMenhoff.
59. Das fremde Kind.
1.
®urch den Schnee und durch die Tannen des Schwarzwalds kommt
vor einigen Jahren an einem Dezemberabend ein achtjähriges
Mägdlein, halb barfuß, halb nackt, vor das Häuslein eines armen
Taglöhners im Gebirge. Sie gesellt sich, mir nichts, dir nichts, zu den
5 Kindern des armen Mannes, die vor dem Hause waren, spielt mit
ihnen, geht mit ihnen in die Stube und denkt nimmer ans Fortgehen.
Nicht anders als ein Schäflein, das sich von der Herde verlaufen hat
und in der Wildnis herumirrt; wenn es wieder zu seinesgleichen kommt,
so hat es keinen Kummer mehr.
10 Der Taglöhner fragt das Kind, wo es herkomme. — „Vom Gnten-
berg." — „Wie heißt dein Vater?" — „Ich habe keinen Vater." —
„Wie heißt deine Mutter?" — „Ich habe keine Mutter." — „Wem
gehörst du denn an?" „Ich gehöre niemand sonst an." Aus allem, was
er fragte, war nur so viel herauszubringen, daß das Kind von den Bettel-
izleuten aufgelesen worden sei, daß es mehrere Jahre mit ihnen herum¬
gezogen, daß sie es zuletzt haben sitzen lassen, und daß es jetzt da sei.
Als der Taglöhner mit den Seinigen zu Nacht aß, setzte sich das
fremde Kind auch an den Tisch. Als es Zeit war zu schlafen, legte
es sich auf die Ofenbank und schlief auch; so den andern Tag, so den
20 dritten. Denn der Mann dachte: „Ich kann das Kind nicht wieder
in sein Elend hinausjagen, so schwer es mir ankommt, eins mehr zu
ernähren." Aber am dritten Tage sagt er zu seiner Frau: „Frau, ich
will's doch auch dem Herrn Pfarrer anzeigen."